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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und
Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 1896. No. 2.

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Red.: Prof. Dr. E. Mendel.

Leipzig, Veit & Comp.

Zur Frage der forensischen Beurtheilung sexueller

Vergehen.1

Von Dr. A. Hoche,

Privatdocenten und erstem Assistenten der psychiatrischen Klinik zu Strassburg i./E.

Den Ausgangspunkt für einige Bemerkungen zur Frage der forensischen Beurtheilung sexueller Vergehen möge die kurze Mittheilung eines Falles von Exhibitionismus" bilden, der in der Strassburger psychiatrischen Klinik zum Zwecke der Begutachtung durch Herrn Prof. FÜRSTNER 6 Wochen lang beobachtet worden ist.

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In den Jahren 1892 und 1893 wurde hier lange vergeblich auf ein Individuum gefahndet, welches durch immer wiederholte exhibitionistische Acte nach und nach der Schrecken der weiblichen Bevölkerung der besseren Stadttheile geworden war. Die einzelnen Vorgänge spielten sich in fast übereinstimmender Weise ab: Einzelnen Damen oder Gruppen von solchen, die ohne Herrenbegleitung waren, stellte sich Abends auf der Strasse der Betreffende entgegen, schlug seinen langen Mantel auseinander, oft gerade bei einer Laterne, und präsentirte sich darunter im Wesentlichen nackt, d. h. in hohen Stiefeln und spärlicher Bekleidung des Oberkörpers, jedenfalls mit nackten Genitalien, lautlos, und ohne im Uebrigen aggressiv zu werden.

Schnee und schneidende Kälte hinderten den Betreffenden nicht; es kam auch vor, dass er seinen so entblössten Unterleib mit bengalischen Zündhölzern farbig beleuchtete.

Ein anderer Modus war der, dass er ganz früh Morgens an Wohnungen klingelte und sich dem öffnenden Dienstmädchen mit nacktem Leibe zeigte, oder am Fenster befindlichen weiblichen Wesen von der Strasse aus seinen entblössten Anblick darbot.

1 Nach einem auf der XXVII. Versammlung des südwestdeutschen psychiatrischen Vereins in Karlsruhe am 9. November 1895 gehaltenen Vortrage.

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Bei einer derartigen morgendlichen Unternehmung wurde er, nach energischem Fluchtversuche verhaftet und als Dr. X. erkannt, der gerade im Staatsexamen stand. Die Voruntersuchung führte zur Einweisung in die Klinik.

Es ergab sich hier kurz Folgendes:

Die nachweisliche directe erbliche Belastung war mässig. Von früher Kindheit an hatte angeblich ein lebhafter Geschlechtstrieb bestanden, der zu früh begonnener Onanie, später zu normal-sexuellen Excessen führte; X. hatte Lues acquirirt, zahlreiche,,Verhältnisse", auch mehrere gleichzeitig, gehabt; mit einem derselben, von der er ein Kind hatte, lebte er zusammen (die Betreffende wusste nichts von dem Charakter der häufigen Excursionen des X.).

X. war Jahre vorher in einer anderen Universitätsstadt wegen des gleichen Delictes verurtheilt, soviel mir bekannt, aber begnadigt worden.

Für die fraglichen Delicte bestand kein Erinnerungsdefect; es wurde auch von X. nicht versucht, einen solchen zu simuliren.

Zur Erklärung gab X. auf wiederholtes Drängen nur als Motiv an, dass ihn eben ein,,unwiderstehlicher Trieb" gezwungen habe, so zu handeln, wie er gethan, dass ihn jedoch dabei das Bewusstsein, eine schimpfliche und strafbare Handlung zu begehen, nicht verlassen habe.

Die Untersuchung und Beobachtung liess das Bestehen von Epilepsie, von einer Geistesstörung im engeren Sinne überhaupt ausschliessen; X. war wohl als eine weichliche, schlaffe Natur, aber nicht als ,,schwachsinnig" zu bezeichnen.

Für das Vorhandensein eines durch Nachgiebigkeit gegen sich selbst und entsprechende Phantasierichtung genährten lebhaften Geschlechtstriebes fanden sich dagegen Anhaltspunkte in Gestalt obscöner Gedichte und Bilder, die zum Theil für weibliche Adressen bestimmt gewesen waren.

Die klinische Beobachtung ergab keine Momente, die erlaubt hätten, den Angeklagten unter den Schutz des § 51 zu stellen, und in der Hauptverhandlung wurde X. trotz der Bemühungen, die die Vertheidigung aufgewandt hatte, irgendwoher ein dem X. günstiges Gutachten zu gewinnen, wegen Erregung öffentlichen Aergernisses (183) zu einem Jahre Gefängniss verurteilt.

Es sei hier gleich hinzugefügt, dass sich bei X. im Gefängnisse nichts von abnormen,,Trieben" gezeigt hat, und dass er nach Verbüssung der Strafe geheirathet hat.

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,Exhibitionismus" wird in der vorhandenen Litteratur im Allgemeinen als ein Symptom angeborener oder erworbener psychischer Schwächezustände angesehen; es ist wohl diejenige Form unter den häufigeren sexuell perversen Handlungen, die zumeist vorweg die Vermuthung erweckt, dass der Thäter ein psychisch krankes Individuum sei; die mitgetheilte Beobachtung erweist, wie vorsichtig man mit dieser Annahme zu sein hat, und kann als eine heute wieder nicht ganz überflüssige Mahnung dienen, allein aus der äusseren Form eines Vergehens, und sei dasselbe noch so seltsam, keine Schlüsse auf den Geisteszustand des Thäters in forensischer Hinsicht zu ziehen.

Es ist bei eingehender Analyse dieses Falles und ähnlich liegender nicht einmal schwer, sich eine Vorstellung von dem psychologischen Hergang bei dem Zustandekommen der strafbaren Handlungen zu machen. Den Boden für diese und viele andere perverse sexuelle Handlungen schafft der bei geschlechtlich übersättigten Individuen nicht seltene „Reizhunger", d. h. das Bedürfniss nach neuen Nuancen bei der sexuellen Befriedigung, welches namentlich bei alten Onanisten erfahrungsgemäss gelegentlich zu ganz complicirten Praktiken führt. Mutatis mutandis findet dies Bedürfniss nach progressiver Steigerung des Reizes

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