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vereinzelt jedoch bis in den Hypoglossuskern hinein, dann aber auch zahlreiche Blutaustritte frischen Datums, die insbesondere das Gebiet des hinteren Vagusund des Hypoglossuskernes betroffen haben. Ihre räumliche Anordnung und Grösse ist aus Abbildung 2 zu ersehen; sie haben links die grösste Ausdehnung, sind aber auch rechts so beträchtlich, dass sie in dieser wichtigen Gegend zweifellos nicht ohne Folgen bleiben konnten. Die Abbildung ist einem Schnitt aus dem mittleren Drittel der Oliven entnommen, der die stärkste Affection zeigt.

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In anderen Schnitten sind besonders der hintere Vagus-Glossopharyngeus- und der innere Acusticuskern von diesen Hämorrhagien befallen. Reactive Veränderungen in der Umgebung fehlen bei der Frische der Blutungen gänzlich; die direct getroffenen Zellen sind vernichtet, aber weitere Veränderungen fehlen. Dagegen finden sich unabhängig von den Gefässzerreissungen wesentliche Abweichungen vom Normalen.

Der Hypoglossus kern besteht in seiner ganzen Längenausdehnung beiderseits immer nur aus wenigen, durch Atrophie missgestalteten und pigmentirten Ganglienzellen. Die linke Hälfte ist dabei noch mehr beeinträchtigt, als die

rechte. An den Wurzelfasern des Nerven ist (ebenso wie im Rückenmark an den im Celloidinmantel hängen gebliebenen Nervenquerschnitten) nichts von Entartung zu sehen. Der Duval'sche accessorische Hypoglossuskern (cf. KAHLER'S Darstellung in TOLDT, Gewebelehre, 3. Aufl. S. 222) hebt sich nicht ab, ist also, wenn vorhanden, ebenfalls atrophisch.

Der Accessoriuskern ist oben schon als unversehrt hervorgehoben; ebenso sind es der hintere Vagus- und Glossopharyngeus kern, soweit nicht die geschilderten Hämorrhagien Beide in Mitleidenschaft gezogen haben. Das gemeinschaftliche aufsteigende Bündel ist normal. Dagegen ist der vordere, motorische Kern bei beiden letztgenannten Nerven wegen der abnormen Spärlichkeit und des Schwundes seiner Zellen nur mit einiger Mühe aufzufinden.

Der Acusticuskern ist durchaus intact, abgesehen von den Folgen der frischen Blutungen.

Befund an der Brücke.

Der Facialiskern ist im höchsten Grade atrophisch; er besteht fast ausschliesslich aus degenerirten Ganglienzellen und ist in manchen Schnitten gar nicht nachweisbar. Seine Wurzelfasern sind dagegen normal.

Der Abducenskern enthält nichts vom normalen Bilde Abweichendes. Im Trigeminus ursprung findet sich Pathologisches nur in Gestalt starker Atrophie des motorischen Kernes; die aufsteigende absteigende etc. Wurzel, der sensible Kern, der obere Kern und der Locus coeruleus bieten durchaus nichts Bemerkenswerthes.

Der untere Trochleariskern (WESTPHAL) ist normal. Der eigentliche Trochleariskern wird nur auf der einen Seite noch durch einzelne Schnitte getroffen und ist hier normal; auf der anderen wird er nicht erreicht, weil die nicht ganz horizontale Schnittebene seinen Sitz von dem zur Untersuchung gelangten Theile abgetrennt hat. Der Trochlearisnerv ist beiderseits gleich gut entwickelt.

Die weiter centralwärts liegenden Theile sind nur makroskopisch untersucht und ergaben dabei nichts Auffallendes. Dagegen fand sich im Haubentheil der Brücke noch ausser den angegebenen Veränderungen der Nervenkerne Bemerkenswerthes. Zunächst wiederum einige stark erweiterte Blutgefässe, namentlich im rechten sensiblen Quintuskern, sowie in der Umgebung des linken Locus coeruleus, dann aber eine erhebliche ältere Blutung in der rechten Brückenhälfte, die sich im Vorhandensein zahlreicher glänzender Pigmentschollen äussert. Ihr unterer Rand liegt unmittelbar oberhalb der Ebene, in welcher die letzten Wurzelfasern des Abducens den Haubentheil durchschneiden. Sie liegt hier gerade vor dem aufsteigenden Schenkel des Facialis, seit- und vorwärts vom hinteren Längsbündel; nach oben hin nähert sie sich mehr der Mittellinie und erfüllt in ihrer grössten Ausdehnung den in Abbildung 3 bezeichneten Raum. Ihre Höhe mag wie ihr Querdurchmesser etwa 1-1,5 mm, ihre Breite an 2,5 mm betragen. Das hintere Längsbündel ist nur in seinem vorderen Viertel direct von der Blutung geschädigt, aber in seiner ganzen Ausdehnung durch die daran sich anschliessende Bindegewebsvermehrung, welche den Heerd rings umgiebt, der

artig beeinträchtigt, dass in den Schnitten aus der Höhe der Zeichnung 3 nur ganz vereinzelte Nervenfasern darin bemerkbar sind. Weiter oben treten bald wieder zahlreichere Fasern auf, aber eine bedeutende Verminderung der Grösse des Bündels und eine Vermehrung seiner Bindesubstanz lässt sich in allen aufbewahrten Schnitten, also bis zur Gegend der hinteren Hügel, nachweisen. Unterhalb der Blutung dagegen sind beide Bündel durchaus gleich stark und frei von pathologischen Erscheinungen. An den Kreuzungsfasern der Raphe, welche von einem hinteren Längsbündel zum anderen treten, prägt sich die Atrophie besonders an einzelnen Schnitten sehr deutlich aus, indem an der x-ähnlichen Figur der Kreuzung der eine Schenkel, und zwar der vom hinteren Theile des kranken zum vorderen Theil des gesunden Bündels tretende Zug, gänzlich fehlt. Zunächst oberhalb der Blutung erscheint besonders stark atrophisch die vordere Peripherie und der seitliche Theil des hinteren Längsbündels,

Fig. 3.

Locus coeruleus.

Hinteres Längsbündel.

Blutung.

Rechts.

so dass dieses im Hämatoxylinpräparat durch einen gelben Ring von der dunkelblauen Fasermasse des motorischen Feldes getrennt ist, welche auf der gesunden Seite dem Rande des Bündels unmittelbar anliegt. Die in den Trochlearis eintretenden Fasern des hinteren Längsbündels lassen in ihrem Verhalten beiderseits keinen Unterschied erkennen.

Im oberen Theile der Brücke wird die Entartung der Pyramidenbahn undeutlicher; in den letzten erhaltenen Schnitten hat sie fast vollkommen aufgehört, insbesondere besteht dort nicht mehr die im unteren Verlauf so deutlich ausgesprochene Bindegewebsvermehrung. Offenbar ist der Process hier ein frischer.

Die mitgetheilten Beobachtungen rechtfertigen zur Genüge die Veröffentlichung des klinisch zu ungenau beobachteten Falles. Um den Inhalt nochmals zusammenzustellen, so bot der Fall folgendes Bild:

Bei einer 58jährigen, erblich psychopathisch veranlagten, seit 4 Jahren an circulärem Irresein leidenden Frau tritt, nachdem schon jahrelang eine erhöhte Muskelerregbarkeit bestanden hatte, plötzlich eine Lähmung der rechten Extremitäten ein, die bald geringer wird. Nach zwei Jahren haben sich Contracturen

beider Beine entwickelt. Es kommt zu eigenthümlicher, unerklärter Temperatursteigerung von kurzer Dauer, Pupillenstarre, allgemeiner Atrophie, nach weiteren zwei Jahren zu Contractur beider Arme, Decubitus, Tod.

Die Section ergiebt im Centralnervensystem den Befund der amyotrophischen Lateralsklerose, und zwar ist die Pyramidenbahndegeneration vom Lendenmark bis zur Vierhügelgegend zu verfolgen, wo sie frischer ist. Der Entartung der motorischen Ganglienzellen des Rückenmarks entspricht weiter oben Atrophie der Kerne des Hypoglossus, vorderer Vagus, vorderer Glossopharyngeus, Facialis, motorischer Trigeminus. Daneben findet sich Hyperämie des grauen Bodens der Oblongata und des Pons, frische Blutungen, besonders im Gebiete des hinteren Vaguskerns, eine ältere Blutung vor dem Facialisknie mit secundärer aufsteigender Atrophie des rechten hinteren Längsbündels.

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Seit CHARCOT zu Anfang der siebziger Jahre das Krankheitsbild der amyotrophischen Lateralsklerose beschrieben hat, sind zahlreiche Fälle zur Veröffentlichung gekommen. Eine umfassende Zusammenstellung giebt MOELI,1 der selbst über einen Fall berichtet, in dem oberhalb der Pyramidenkreuzung keine Veränderungen bestanden. Seitdem sind genauere anatomische Befunde wieder vielfach publicirt, aus denen ich nur anführe, dass CoXWELL eine auffallende Vascularisation der grauen Substanz, ZACHERS Gefässveränderungen im ganzen Centralnervensystem, ADAMKIEWICZ starke Hyperämie im verlängerten Marke ausdrücklich hervorheben. Dieser Umstand scheint danach häufiger vorzukommen. Im Uebrigen ist als constant anzusehen, dass nur die motorischen Nervenkerne des Hirnstammes, niemals die sensiblen, erkranken, wie ja auch die Atrophie der weissen Bahnen sich auf die motorischen Stränge beschränkt. Damit steigt auch für die amyotrophische Lateralsklerose die Wahrscheinlichkeit der Vermuthung, welche WESTPHAL5 für die reine Seitenstrangsklerose und die combinirte Strangerkrankung bei Paralytikern aufgestellt hat, dass nämlich Systeme, die in der Entwickelung des Rückenmarks einander nahe stehen (zuletzt die Markscheiden erhalten), am ersten einem Involutionsprocesse anheimfallen. So lange der Process auf das Rückenmark beschränkt ist, liegt ja die Annahme eines directen Uebergreifens der Seitenstrangerkrankung auf die Vorderhörner nahe; in der Oblongata und dem Pons jedoch, wo die befallenen Theile einander so fern liegen, verliert diese Meinung das Bestechende. Wenn man nicht geradezu die Westphal'sche Andeutung für unsere Fälle erweitern will, so könnte man noch annehmen, dass ein giftartiger Stoff eine besondere Verwandtschaft zu den motorischen Kernen und Bahnen entfalte aber die erste Erklärung erscheint jedenfalls viel glaubhafter.

Ob etwa die gegen das Lebensende aufgetretene Temperatursteigerung, sowie die Ende 1885 beobachtete zweitägige hohe Fiebercurve mit der Blutung

1 Arch. f. Psychiatrie. X. S. 718.

Referat in diesem Centralblatt. 1884. S. 184.

• Originalmittheilung in diesem Centralblatt. 1886. S. 551 ff.

• Charité-Annalen. 1880. Bd. V.

Arch. f. Psychiatrie. VIII. S. 515 und XV. S. 248 f.

im hinteren Vaguskern und deren Vorläufern zusammenhängen, will ich nur andeuten, indem ich auf LEMCKE'S1 Beobachtung ,,eines Falles von sehr tiefer Erniedrigung der Körpertemperatur nach primärer Hämorrhagie in der Medulla oblongata" verweise. Es handelt sich in jenem Falle um eine ganz ähnlich gelegene Blutung. Das gegensätzliche Verhalten der Eigenwärme in jenem und meinem Falle hängt vielleicht von demselben Umstande ab, der bei jenem die Pulsfrequenz auf ausserordentlich niedrige Zahlen herabdrückte, bei dem hier beschriebenen Falle wenigstens zu der von mir beobachteten Fieberzeit und bis zum Ende eine starke Pulsbeschleunigung erzeugte.

2. Sclerodermie, Morbus Addisonii und Muskelatrophie. Von Dr. Richard Schulz in Braunschweig.

(Fortsetzung.)

Die Section (Herr Prosector Dr. ENGELBRECHT) wurde am folgenden Tage Mittags gemacht. Sie ergab Folgendes:

Aeussere Besichtigung.

Schwach ernährte männliche Leiche. Rigor und Livores vorhanden. Conjunctivae bleich. Pupillen von gleicher geringer Weite. Grössere Strecken der äusseren Haut am Gesicht, des vorderen Theiles des Halses, an den Oberarmen und den Oberschenkeln ist dunkelbraun pigmentirt. Die Musculatur der Extremitäten, besonders der Hände, Vorderarme, Oberarme und Unterschenkel ist stark atrophisch.

Leichter Decubitus an den Schulterblättern und Os sacrum. Eine drainirte Abscesshöhle an der rechten Hinterbacke.

Innere Besichtigung.

Brusthöhle. Herzbeutel seitlich von den Lungenrändern überlagert, Pericardialflüssigkeit leicht vermehrt.

Herz von entsprechender Grösse, gut contrahirt, enthält in den Vorhöfen und dem rechten Ventrikel reichliche, im linken Ventrikel geringe Mengen dunkles flüssiges Blut und Gerinnsel.

Myocardium makroskopisch nicht verändert. Klappen normal. Lungen von mittlerer Grösse, zeigen vereinzelte alte ligamentöse Verwachsungen. Die unteren Lappen sind dunkler gefärbt. Der rechte untere Lappen ist luftleer.

Die Pleura pulmon. ist daselbst weisslich getrübt und stärker injicirt. In der linken Pleurahöhle etwa 100 Gramm trüber seröser Flüssigkeit. Beide unteren Lappen sind durchsetzt mit zahlreichen halblinsen- bis erbsengrossen Knötchen von gelbgrauer Farbe und härterer Consistenz als das umgebende Gewebe. Das übrige Lungengewebe ist lufthaltig von mittlerem Blutgehalt und leichter ödematöser Durchtränkung. Die Trachea und Bronchien sind injicirt.

1 LEMCKE. Deutsches Arch. f. klin. Med. XXXIV. S. 84-99 und Tafel I.

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