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bei Rechtshändern nur vorhanden sein, wenn die nervöse Entladung, wie aus den Symptomen ersichtlich, an der 1. Hemisphäre einsetzt. Bei Linkshändern sei das umgekehrt.

Bei classischen Anfällen beginnt der Anfall in einer Ober-Extremität, dann folgt die entsprechende Unter-Extremität, hierauf die andere Unter-Extremität und zuletzt die zweite Ober-Extremität.

Urinentleerung kann auch bei Petit mal vorkommen, wenn der Pat. bei vollem Bewusstsein ist, die Entleerung merkt, aber sie nicht hindern kann. Die Entleerung ist also eine spastische.

Die Pupillen sind in seltenen Fällen entgegen dem gewöhnlichen Befunde sehr verengt. Bruns.

Psychiatrie.

27) Zur Lehre von der Pathogenese der Hallucinationen und Epilepsie,. von Tomaschewski und Ssimonowitsch. (Wjestnik psichiatrii i nevropatologii. 1888. VI. Russisch.)

Die Abhandlung zerfällt in zwei Theile. Der erste enthält eine gedrängte Besprechung der verschiedenen Theorien, welche über den Ursprung und die Localisation der Sinnestäuschungen aufgestellt wurden. Verff. bestreiten die Grundlagen der bekannten Anschauungen Meynert's über diesen Gegenstand und halten die sogenannte,,corticale" Theorie der Hallucinationen für die am besten mit den pathologischen Thatsachen übereinstimmende.

Der zweite Theil der Arbeit bringt die ausführliche Beschreibung eines Falles aus dem Odessaer städtischen Krankenhaus, dessen Beobachtung den theoretischen Betrachtungen des Verf.s zu Grunde liegt. Es handelt sich um eine 33 jährige verheirathete Frau, Jüdin, in deren Familie keine hereditäre Belastung nachzuweisen war; von den anamnestischen Angaben verdient Beachtung, dass Patientin häufig von ihrem Manne, einem Trunkenbold, gemisshandelt wurde und Schläge auf den Kopf bekam. Sonst war sie stets gesund gewesen, und nur im Laufe mehrerer Monate vor ihrer ersten Aufnahme ins Krankenhaus hatte sie an Anfällen allgemeiner Krämpfe mit Bewusstseinsverlust gelitten. Die erste Aufnahme (31. Januar 1886) war durch das Auftreten einer acuten hallucinatorischen Paranoia veranlasst, die mit Aufregung, Schlaflosigkeit, Verfolgungswahn und zahlreichen Sinnestäuschungen verlief und nach sechs Wochen so weit gebessert war, dass Patientin entlassen werden konnte. Die Hallucinationen des Gehörs, an denen sie während ihrer Krankheit hauptsächlich gelitten hatte, wurden von ihr in zwei deutlich gesonderte Arten geschieden: nämlich abgesehen davon, dass sie die Stimmen ihrer Verfolger, das Geräusch fliegender Vögel etc. mit beiden Ohren hörte und diese Wahrnehmungen im äusseren Raume localisirte, hatte sie eine Reihe von subjectiven Gehörempfindungen im linken Ohr; letztere waren früher aufgetreten, als die anderen Sinnestäuschungen und liessen sich zuweilen durch Verstopfen des linken Gehörgangs beseitigen. Die Untersuchung des linken Ohres ergab bedeutende Herabsetzung des Gehörs und chronischen Catarrh der linken Tuba Eustachii. Neben diesen unilateralen krankhaften Gehörsempfindungen bestanden einige Zeit lang auch linksseitige Sinnestäuschungen des Tastsinns, und vielleicht auch des Muskelsinns; es kam der Patientin z. B. vor, dass ihre Verfolger ihr Laken und Bettdecke nur von der linken Seite hinwegziehen.

Im Laufe des darauffolgenden Jahres, welches Patientin ausserhalb des Krankenhauses verbrachte, dauerten die linksseitigen subjectiven Gehörswahrnehmungen fort; sie hörte oft im linken Ohre Knistern brennenden Holzes, Flügelschläge, lautes Lachen etc. Doch allmählich wurden diese Sinnestäuschungen schwächer und zuletzt verschwanden sie vollständig. Dagegen stellten sich nun eigenthümliche linksseitige

Hallucinationen des Gesichts ein: Patientin sah beständig im Gesichtsfeld ihres linken Auges bald im Centrum, bald in der äusseren Hälfte desselben einen weissen springenden Hund; obgleich sie die krankhafte Natur dieser Erscheinung deutlich erkannte, wurde sie von derselben fortwährend geplagt, auch bei geschlossenen Augen; die Sehschärfe blieb dabei an beiden Augen unverändert. Von Zeit zu Zeit wiederholten sich die Anfälle allgemeiner epileptischer Krämpfe.

Am 14. Februar 1887 wurde Patientin von Neuem ins Krankenhaus aufgenommen, wo nach 13 Tagen der Tod eintrat. Während dieser Zeit litt sie an ungemein häufigen, mit kurzen Intervallen beständig sich wiederholenden Krampfanfällen. die jedoch einen anderen Verlauf hatten, als die früheren. In einigen Anfällen befielen die Krämpfe die Muskeln beider Körperhälften, aber in bestimmter Reihenfolge, indem sie am Orbicularis oris anfingen, dann die linke Gesichtshälfte ergriffen, allmählich sich auf die linke Nackenmusculatur, die linke Ober- und Unterextremität ausbreiteten, und dann auf die rechte Unter- und Oberextremität übergingen. In einer anderen Reihe von Anfällen beschränkten sich die Krämpfe auf die linke Körperhälite und zuweilen blieb auch die linke Oberextremität verschont; am letzten Tage war das Ausfallen derselben aus dem Krampfbilde beständig. Zuweilen endlich bestand der ganze Anfall in Krämpfen der linken Gesichtshälfte, begleitet von conjugirter Deviation des Kopfes und der Augen nach links. Das Bewusstsein war während der Anfälle immer verloren; die Untersuchung während der kurzen Zwischenräume ergab Parese der linken Körperhälfte und Herabsetzung der Sensibilität an derselben, Einschränkung des Gesichtsfeldes an beiden Augen, Klagen über Kopfschmerzen. Die linksseitigen Sinnestäuschungen im Gebiet des Gehörs und Gesichts waren verschwunden. Die Körpertemperatur war die ganze Zeit lang erhöht (zwischen 38 und 38,7°), mit der Häufung der Anfälle stellte sich allgemeine Erschöpfung und Sopor ein, zuletzt Lungenödem und Tod.

Die Autopsie erwies folgende Veränderungen in der Schädelhöhle: An einer beschränkten Stelle, entsprechend dem unteren Dritttheil der Centralwindungen und der vorderen Hälfte des Gyrus supramarginalis rechterseits ist die innere Knochenlamelle des Schädels stark hyperämisch; Durchsägung des Knochens zeigt, dass die Hyperamie sich auch auf die spongiöse Substanz desselben erstreckt. Die Dura mater ist rechterseits entsprechend der unteren Hälfte beider Central windungen, der hinteren Hälfte der ersten Schläfenwindung und den Gyr. supramargin. und angul. verdickt, reich an Gefässen, und fest mit der Pia, zum Theil auch mit der Gehirnsubstanz selbst verwachsen und zwar im Gebiet des dritten Viertels (von oben gerechnet) beider Centralwindungen, längs des Gyr. angularis, der vorderen Hälfte des Gyr. supramargin. und der hinteren Hälfte der ersten Schläfenwindung. An diesen Stellen liegt zwischen der Gehirnoberfläche und der verdickten Dura mater eine beträchtliche Schicht neugebildeten Bindegewebes; die Rinde erscheint hier verschmälert, und in der Mitte der hinteren Centralwindung ist sie vollig geschwunden, so dass die verdickten Hirnhäute anscheinend unmittelbar mit der weissen Substanz verwachsen sind. An der inneren Fläche des, linken mittleren Ohres fanden sich stellenweise Tropfen von Schleim. Nervi und Tract. optici unverändert.

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Die mikroskopische Untersuchung des afficirten Gehirngebiets ergab, dass an den Stellen, wo die Hirnhäute mit der Rinde verwachsen waren, in letzterer sich Bindegewebe auf Kosten der nervösen Elemente entwickelt hatte; an Präparaten aus der hinteren Hälfte der ersten Schläfenwindung und dem dritten Viertel der hinteren Centralwindung waren die Ganglienzellen völlig geschwunden. In den benachbarten Rindengebieten waren die Nervenelemente erhalten, aber das Gewebe hyperämisch und mit lymphoiden Körperchen infiltriert.

Verff. erklären den von ihnen beobachteten Fall in der Weise, dass in der Hirnrinde an den bezeichneten Stellen ein Reizungsprocess verlief, der sowohl den epileptischen Krampfanfallen, als den unilateralen eigenthümlichen Sinnestäuschungen zu

Grunde lag. Als mit der Zeit durch Entwicklung von Bindegewebe die nervösen Elemente aus der Hirnrinde der rechten Hemisphäre verdrängt wurden, verschwanden die Reizungssymptome seitens des Gehörs und Gesichts, und zugleich blieb die linke Oberextremität, deren Centrum am meisten afficirt war, von den Convulsionen verschont. P. Rosenbach.

28) Ueber Trauma, Epilepsie und Geistesstörung, von Docent Dr. J. Wagner. (Jahrbücher für Psychiatrie. 1888. VIII. 1 u. 2.)

7 Fälle von wiederholt auftretenden, rasch vorübergehenden Geistesstörungen werden beschrieben, die sämmtlich den Charakter der epileptisch-psychischen Aequivalente haben (brüsker Eintritt, aura-artige Erscheinungen, kurze Dauer, plötzliche Lösung unter Schlaf, Stupor etc., tiefe Bewusstseinsstörung, getrübte oder fehlende Erinnerung etc.). Alle Fälle haben ein Schädeltrauma als ätiologische Ursache. Der erste Fall hat noch besonderes Interesse durch eine Hemianästhesie, die sich auch auf die Sinnesorgane erstreckte. In einem andern Falle wurden die verkehrten Handlungen während der Störung auf eine angeborene depravirte Anlage bezogen und die Diagnose auf Moral insanity gestellt; es handelte sich hier, wie in einem andern Falle, um eine durch Trauma erworbene Form von moralischer Depravation (sogen. Moral insanity). In derartigen Fällen ist sorgsam zu prüfen, ob die Charakteranomalie nicht schon vor Einwirkung des Traumas bestand. Auch wird auf die nicht seltene Combination von Moral insanity mit epileptoiden Zuständen hingewiesen. In einem andern der beschriebenen Fälle erzielte eine methodische Bromkalibehandlung gute Erfolge, was bei den als psychische Epilepsie bezeichneten Irrsinnsanfällen durchaus nicht die Regel ist. Ausführlicher geht W. auf den Zusammenhang ein, der zwischen Schädeltraumen und psychischer Epilepsie besteht; das Zustandekommen dieser psychischen Aequivalente (psychische Epilepsie) durch traumatische Einwirkung ist ein analoges wie bei den wirklichen Krampfanfällen nach Trauma, es handelt sich um eine Reflexepilepsie. Die Anfälle der psychischen Epilepsie nach Traumen haben mit den wirklichen. Krampfanfällen der traumatischen Reflexepilepsie gemeinsam: Zwischen Einwirkung des Traumas und dem Ausbruch des ersten Anfalls liegt ein Wochen bis Monate und Jahre dauernder Zwischenraum; von der Läsionsstelle gehen oft continuirliche oder anfallsweise auftretende sensible Reizerscheinungen aus; an der Läsionsstelle besteht Druckschmerz, der oft sehr intensiv ist und ausstrahlt; man kann nicht selten durch Druck auf die Läsionsstelle psychische Anfälle auslösen; Einleitung der Anfälle durch Aura von der Läsionsstelle (Kopfschmerzen); derartige Anfälle treten auch von andern Verletzungsstellen aus als von denen am Schädel localisirten etc. Dass die psychische Epilepsie bei den traumatischen Fäller. von Epilepsie häufiger ist als bei denen aus anderer Ursache, geht unter anderein auch aus dem vom preussischen Kriegsministerium herausgegebenen Werke über die Erkrankungen des Nervensystems beim deutschen Heere im Kriege gegen Frankreich hervor; von 49 Fällen traumatischer Epilepsie ist in 9 Fällen das Auftreten psych. Epilepsie angegeben, während in 84 Fällen von Epilepsie aus anderen, nicht-traumat. Ursachen nur 5mal psych. Epilepsie auftrat; danach wäre die relative Häufigkeit der psych. Epilepsie bei den traumat. Fällen 3mal so gross, als bei den nicht traumatischen. Die Seltenheit der traumat. Reflexepilepsie bei der Häufigkeit der Traumen liegt bald in der Art der Verletzung, bald in der Natur des verletzten Individuums. Wie oft in derartigen Fällen die angeborene psychopathische Disposition angegeben ist, dürfte bekannt sein. Auch das Lebensalter scheint von Einfluss zu sein. Jugendliche Individuen werden vorwiegend von psychischen Anfällen befallen, während die traumat. Psychosen mit chron. Verlauf, Lähmungen, zunehmender Verblödung, anatom. Veränderungen vorwiegend bei Individuen vorkommen, die zur Zeit der Einwirkung des Traumas sich in den kritischen Altersklassen befanden, aus denen die Paralyse ihre

Opfer holt. Hinsichtlich der Art der Verletzung spielen jene Processe eine wichtige Rolle, die einen permanenten Reizzustand unterhalten, wie Fremdkörper, schrumpfende Narben, entzündliche Vorgänge an den Nerven etc.

Auffallend ist ferner die Häufigkeit der Reflexepilepsie nach Schädeltraumen gegenüber der Seltenheit derselben nach Verletzung anderer Körpertheile. Dieses Missverhältniss erklärt sich durch die Annahme, dass es nicht die am Schädel gesetzte Verletzung allein ist, welche die Reflexepilepsie zur Folge hat, sondern das Auftreten dieser Störung wird durch die mit der Verletzung gleichzeitig gesetzte Hirnerschütterung mindestens begünstigt. Zeigt sich doch diese bleibende Veränderung nach derartigen Einwirkungen nicht selten auch in anderweitiger abnormer Reaction des Gehirns (Alkohol, Hitze, Affecte etc.). Auf das Schema der Reflexpsychose resp. Reflexepilepsie dürften auch viele Fälle zurückgeführt werden, die Griesinger als Dysthymia neuralgica, Schüle und v. Krafft-Ebing als Dysphrenia neuralgica (transitoria) beschrieben. Schon Griesinger hebt hervor, dass diese Fälle viel Analoges mit psychischer Epilepsie haben und betrachtet den neuralgischen Anfall wie eine Aura. Auch die von ihm geschilderten epileptoiden Zustände (Vertigo epileptica) etc. sind oft durch Traumen und reflectorisch bedingt. Nicht weniger als 138 Invaliden klagten nach dem deutsch-französischen Krieg nach Verletzung des Schädeldachs über periodischen Schwindel. Ihren epileptischen Charakter verriethen die Schwindelanfälle durch den manchinal, wenn auch erst nach Jahren erfolgenden Uebergang in echte Krampfparoxysmen. Eine grosse Rolle spielt das Trauma auch bei der Alkoholepilepsie und pflegen traumat. Einwirkungen auf den Schädel den als Folge der Alkoholintoxication auftretenden psych. Störungen ein eigenes Gepräge zu verleihen (epilept. Anfälle, epileptoide Zustände etc.). Einen Fall traumat. alkohol. Geistesstörung beobachtete W., der 9 Anfälle von Geistesstörung hatte, die alle mit raschem Beginn, gleichem Delirium (Grössenwahn), raschem Abschluss und völliger Amnesie verliefen. Kalischer.

29) Ueber das Zusammenvorkommen von Epilepsie und originärer Paranoia, von Dr. R. Pohl, Assistent an der psychiatr. Klinik in Prag. (Prager med. Wochenschr. 1888. August. Nr. 35.)

Im späteren Lebensalter entwickelt sich die Paranoia bei Epilepsie meist aus den acuten psychisch-epileptischen Zuständen der Epileptiker allmählich heraus. Diesen Entwickelungstypus veranschaulicht ein mitgetheilter Fall, in welchem eine 38 jährige ledige Maurerstochter, die von Jugend auf schwachsinnig war und mit 11 Jahren epileptisch wurde, allmählich vage Verfolgungsideen gemischten und wechselnden Inhalts äusserte; es verfolgten sie Gestalten, man that ihr Gift in das Essen, wollte sie todtschlagen etc. In diesem Zustande, in welchem auch Krämpfe wiederholt auftraten, wurde sie cr. 7 Monate beobachtet und dann unverändert auf die Irrenabtheilung versetzt. Eine ähnliche Form beschreibt Samt als postepileptisches, partielles, ängstliches Delirium, bei dem, wie in dem beschriebenen Fall, die hallucinatorische Entwickelung, des Deliriums, die relative Lucidität, und der Contrast zwischen erstaunt lächelnder Physiognomie und ängstlichen Vorstellungen hervortraten. Sommer bezeichnet diese Form als postepileptisches hallucinatorisches Delirium mit persecutorischen Wahn vorstellungen und betont die rasche Entwickelung des formellen Verfolgungssystems durch wahnhafte Ausdeutung sensibler Störungen, ferner die kurze Dauer und die kritische Lösung durch längeren Schlaf, der nicht nur die Fixheit der Wahnvorstellungen, sondern auch die Erinnerung an dieselben abschneiden soll. Unser Fall zeigt jedoch eine Weiterentwickelung. Aus dem postepileptischen Delirium entwickelt sich ein Zustand, den P. mit Paranoia bezeichnet, obwohl er sich durch die stossweise, lückenhafte Entwickelung, wie durch den Mangel der Systematisirung von der typischen Paranoia unterscheidet. Der zweite Fall betrifft das Zusammen

vorkommen von Epilepsie, originärer Paranoia und Schädelasymmetrie. Eine namentlich im Gesichtsskelett sich ausprägende Schädelungleichheit bezeichnet Lasègue als gewöhnlich bei der genuinen Epilepsie, und Sander weist auf einen gleichen Befund bei der originären Paranoia hin. Ein 20 jähriger Buchbindergeselle mit Schädelasymmetrie hatte in seinem 3. Lebensjahr einen dreistündigen Bewustlosigkeitszustand mit Krämpfen. Seit dem 10. Jahre litt er an Anfällen von petit mal und seit dem 13. Jahre hatte er täglich 1-2mal Krämpfe. Bis zu seinem 18. Lebensjahr soll er keine der Umgebung auffallende psychische Störung gezeigt haben; damals wurde er verdriesslich, zornig, äusserte Verfolgungsideen und es entwickelte sich neben und unabhängig von der Epilepsie eine Paranoia in der typischen Weise. Als erstes Stadium zeigte sich die wahnhafte Interpretation, der Beobachtungswahn; er legte thatsächliche Aeusserungen und Handlungen seiner Eltern anders aus, glaubte Bastard, von anderer Abstammung zu sein etc. Die wahnhaften Anschauungen bezüglich seiner Abstammung reiften und systematisirten sich immer mehr und mehr, und entwickelten sich völlig chronologisch; der Fall steht demnach nicht im Einklang mit Neisser's Angaben (Archiv für Psych. XIX), dass es sich bei den sogenannten originär Verrückten um Confabulation, um Projection später erlebter, wahnhaft gedeuteter Begebenheiten in die Jugendjahre zurück, handele, ohne jede chronologische systematische Entwickelung. Kalischer.

30) Ein Fall von psychischer Epilepsie, von Dr. Gerstacker, Neu-Breisach. (Allg. Ztschr. f. Psychiatrie. 1888. Bd. XLV. H. 4.)

Die sehr ausführlich mitgetheilte Krankengeschichte betrifft einen Soldaten, den unehelichen Sohn eines Trinkers. Verwahrloste Erziehung, im fünften Lebensjahre ein Kopftrauma, seitdem Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und schon sehr früh Gesichts- und Gehörshallucinationen. Später schlossen sich an die Schwindelanfälle protrahirte Erregungszustände mit verkehrten Handlungen und nachfolgendem Erinnerungsdefect an. Mehrfach kamen Selbstmord versuche vor. G. weisst die Anfälle als epileptische Dämmerzustände nach. Zugleich besteht ein mässiger Schwachsinn und die für Epileptiker bezeichnende Charakterveränderung. Th. Ziehen.

31) Clinical observations on epileptic insanity, by D. Finlay. (The Glasgow Medical Journal. 1888. 3. p. 27.)

Seine Betrachtungen und Untersuchungen stellte F. bei 32 Fällen von Epilepsie an (19 männlichen und 13 weiblichen Geschlechts). Alle zeigten mehr oder minder Störungen der psychischen Functionen. Abgesehen von den angeborenen Anomalien, schwankte das Eintreten der ersten psychischen Abnormitäten zwischen 2 bis 34 Jahren nach dem ersten Krampfanfall. Bei erblich Belasteten war die geistige Störung nicht stärker und inniger mit der Epilepsie verknüpft, wie bei Nichtbelasteten. Reizbarkeit, impulsives Wesen und Gedächtnissschwäche zeigten sich am häufigsten, ebenso Frömmelei und Beten. Die Erscheinungen der maskirten resp. larvirten Epilepsie zeigten viel Aehnlichkeit mit periodischer Manie und Somnambulismus. Eine Aura trat in 13 Fällen auf, fehlte in 12; sie war bald allgemein, bald visceral oder pneumogastrisch, bestand bald in Schwindel, Kopfschmerz, Hyperästhesie der Sinnesorgane, bald in psychischen Abnormitäten etc. 19 Fälle stammten aus belasteten Familien;

in 9 war Epilepsie vorausgegangen, in 3 Irresein, in 4 Epilepsie mit Irresein, in 2 Unmässigkeit etc. Acute Leiden liessen die Anfälle sistiren oder an Zahl und Stärke vorübergehend herabsetzen. Der Urin wurde zu den verschiedensten Tageszeiten untersucht; in 21 Fällen fand sich Eiweiss; dieses nahm in den Fällen, wo es sich unabhängig vom Anfall zeigte, zur Zeit der Anfälle zu. Zucker fand sich in keinem Falle. Die Tagesquantität war im Ganzen klein, das specifische Gewicht

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