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Da ferner auch die protoplasmatischen Fortsätze nicht mit einander anastomosiren, was der älteren Annahme von GERLACH gegenüber zuerst von GOLGI betont wurde, so ist es klar, dass die Nervenzellen ähnlich den Zellelementen anderer Gewebe vollkommen abgesonderte Organismen oder Neurone darstellen, welche mit einander in keiner unmittelbaren, ununterbrochenen organischen Verbindung stehen. In dieser Beziehung erkenne ich vollkommen die Lehre von den Nervenelementen oder Neuronen, welche in der letzten Zeit durch die Arbeiten von RAMON Y CAJAL, HIS, FOREL, KÖLLIKER, WALDEYER U. A. geltend geworden, an.

Ebenso ist es zweifellos, dass selbständige Nervenfasern, welche in dem Nervengewebe in ein Netz übergingen, nicht vorkommen, da die Nervenfasern überall nichts weiter als Fortsätze der Nervenzellen darstellen. Letztere sind deshalb wohl die einzigen Elemente des Nervengewebes; von der Neuroglia mit ihren Zellen und den Gefässen natürlich abgesehen.

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Die von GOLGI vorgeschlagene Eintheilung der Zellen in motorische mit einem langen Cylinderfortsatz und sensible mit einem kurzen, sich bald verzweigenden Nervenfortsatz, deren Berechtigung ich schon 1887 (folglich vor dem Erscheinen der die Grundpfeiler dieser Lehre erschütternden Arbeiten von RAMON Y CAJAL) bezweifelt habe, entbehrt entschieden irgendwelcher factischen Grundlage. Wenigstens besitzen wir nicht selten einerseits in unzweifelhaft sensiblen Organen, wie z. B. in den Kernen der sensiblen Hirnnerven, fast ausschliesslich Zellen ersterer Art von GOLGI, d. h. Zellen mit einem langen Cylinderfortsatz und andererseits werden in motorischen Bezirken des Nervensystems nicht selten Zellen der zweiten Art mit einem kurzen und sich bald verzweigenden Cylinderabsatz angetroffen.

Der Unterschied zwischen allen oben erwähnten Zellarten besteht nicht in dem Charakter der zu leitenden oder empfangenden Impulse, sondern nur in der Feststellung der Wechselbeziehungen unter den verschiedenen Zellelementen. So dienen die mit langen Cylinderfortsätzen versehenen Zellen, weil sie direct in Nervenfasern übergehen, zur Uebermittelung der Nervenimpulse auf entfernte Nervenzellen; die Zellen mit kurzen, sich alsbald verzweigenden Cylinderfortsätzen übermitteln aber die Impulse nur auf kurze Strecken, dafür jedoch gleichzeitig auf eine ganze Reihe nahe gelegener Zellen, deren Thätigkeit hierdurch gleichsam vereint wird; aus letzterem Grunde könnten die mit kurzen, sich alsbald verzweigenden Cylinderfortsätzen versehenen Zellen als „, Vereinigungszellen" bezeichnet werden. Am deutlichsten tritt diese Rolle der Zellen mit kurzen Cylinderfortsätzen an den sternförmigen Zellen der moleculären oder körnigen Schicht des Kleinhirns zu Tage; bei denselben zerfällt nämlich der Fortsatz in eine zahllose Menge feiner Zweige, welche zwischen die hier angehäuften Nervenzellen treten. Was die apolaren Zellen

1 Vergl. den von mir bearbeiteten Abschnitt „Die Hirnhemisphären" in den „Grundzügen der mikroskopischen Anatomie des Menschen und der Thiere". Herausgegeben unter der Redaction von OwsJÄNNIKOW und LAWDOWSKI.

anbetrifft, so spielen sie aller Wahrscheinlichkeit nach die Rolle von verbindenden Elementen, welche, zwischen den Fortsätzen verschiedener Zellen gelegen, die Erregung von den einen Zellen auf andere übertragen.

Jede Nervenbahn ist eigentlich durch die Verkettung zweier, dreier oder einiger Zellelemente von diesem oder anderem Typus gebildet, und es existirt zwischen den centrifugalen und centripetalen Leitern kein wesentlicher Unterschied in der Zusammensetzung der Elemente. Sie unterscheiden sich, wie das gegenwärtig schon von vielen Autoren anerkannt wird, von einander nur durch die Richtung des Cylinder fortsatzes. Bei den centrifugalen Leitern besitzt letzterer stets eine absteigende Richtung, während er bei den centripetalen Bahnen eine aufsteigende Richtung hat.1 Hierdurch wird zweifellos auch der Unterschied in der Degeneration dieser und jener Leiter erklärt: erstere degeneriren bekanntlich stets in absteigender, letztere in aufsteigender Richtung.

Die Protoplasma fortsätze bezw. Dendriten der Zellen sind, mit der Meinung von RAMON Y CAJAL übereinstimmend, nicht nur für die Ernährung bestimmt, wie GOLGI annahm, da die vom letzteren und seinen Schülern angegebenen Beziehungen dieser Fortsätze zu den Gefässen überhaupt selten angetroffen werden. Diese Fortsätze betheiligen sich an der Ernährung der Zellen gleich dem ganzen Zellkörper und dienen augenscheinlich ebenso zur Leitung, wie die cylindrischen Zellfortsätze. Schon R. Y CAJAL hat hierfür als besten Beweis auf den Riechlappen, in welchem die baumartig in Glomeruli olfactorii endigenden Protoplasmafortsätze der Mitralzellen und solche der Zellen der Molecularschicht einzig die Erregung von der Verzweigung der in denselben Glomeruli zerfallenden Riechfasern in centraler Richtung fortleiten können, hingewiesen. Die angeführten Zellen des Riechlappens präsentiren nur eines von den eclatantesten, besonders anschaulichen Beispielen von der leitenden Bedeutung der Protoplasmafortsätze. Es ist nicht schwer, auch aus allen anderen Theilen des Nervensystems mehr oder weniger überzeugende Beweise für diese Behauptung beizubringen.

Warum sollte auch den protoplasmatischen, directe Ausläufer des Zellkörpers darstellenden Zellfortsätzen eine leitende Bedeutung abgehen, während die Rolle des Zellkörpers bei der Leitung fast unbestritten feststeht? Uebrigens hat GOLGI angenommen, dass die Leitung durch das von den Seitenzweigen der eylindrischen Zellfortsätze gebildete Netz stattfindet, der Zellkörper dabei also gleichsam ausserhalb des Leitungsbogens bleibt. Spielen die Zellen aber überhaupt die Rolle von Centren, wenn auch nur von Ernährungscentren, wie NANSEN2 glaubt, so ist es zweifellos, dass aus dem Zellkörper die Impulse in der Richtung des Cylinderfortsatzes ausgehen, folglich auch der Zellkörper selber bei dieser Leitung sich zu betheiligen hat.

Wie von R. Y CAJAL hingewiesen worden ist, wird die Wechselbeziehung unter den einzelnen Nervenzellen am häufigsten dadurch hergestellt,

1 Von den Ausnahmen von dieser Regel wird weiter unten die Rede sein.

* NANSEN. Anat. Anzeiger 1888.

dass die Endverzweigungen der cylindrischen Fortsätze der einen Zellen mit den Dendriten und Körpern der anderen sich verflechten (s. Fig. 3). Diese Art von Wechselbeziehung finden wir zwischen den hinteren Wurzeln und den Zellen der grauen Rückenmarkssubstanz, zwischen den Fasern der sensiblen Hirnnerven und den Zellen ihrer Kerne, zwischen den Fasern der Leitungsbahnen und der Zellen, der Kerne des Hirnstammes, des Kleinhirns und seiner Kerne und der Hirnrinde. Ueberhaupt kann der erwähnte Modus der Wechselbeziehung zwischen den Nervenzellen als der verbreitetste im centralen Nervensystem gelten. Uebrigens muss bemerkt werden, dass man bei Weitem nicht immer sich davon überzeugen kann, dass die Verzweigungen der

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Fig. 3. Die Zellen der Kernschicht der Kleinhirnrinde. c, c, Axencylinderfortsätze der Kernzellen; f, ƒ', die Fasern, welche in dieser Schicht zwischen den Zellen sich verästeln. Auf dem Präparat u. A. kann man sehen, wie die Zellen sich mit den Endverzweigungen der Protoplasmafortsätze verketten. (GOLGr'sches Präparat.)

Cylinderfortsätze mit den Dendriten oder den Körpern anderer Zellen thatsächlich in echten Contact treten. Viel häufiger scheinen sich die Endverzweigungen der Cylinderfortsätze wohl in der nächsten Nachbarschaft der Dendriten und den Körpern anderer Zellen und nicht in einer unmittelbaren Berührung mit denselben zu befinden.

Eine andere Art von Wechselbeziehung zwischen den Nervenzellen, welche bisher von den nach der GoLGI'schen Methode arbeitenden Autoren wenig beachtet worden ist, besteht in der Verflechtung der Dendriten der einen Zellen mit solchen von anderen. Diese Art der Wechselbeziehung äussert sich besonders deutlich zwischen den Zellen der Vorderhörner beider Rückenmarkshälften in der Gegend der vorderen Commissur

(sogenannte protoplasmatische Commissur) und wie ich mich vergewissert habe, zwischen einigen Zellen der reticulären Formation, zwischen den Zweigen der Gipfelfortsätzen der apolaren körnigen Zellen des Riechlappens und den Protoplasmafortsätze der Mitralzellen in demselben, zwischen den mit ihren Gipfelfortsätzen und deren Verzweigungen in der Molecularschicht in der Nähe der Gehirnoberfläche sich verflechtenden Zellen der Hirnrinde. Aber den besten Beweis für die durch die Vermittelung der Protoplasmafortsätze zu Stande kommende Wechselbeziehung zwischen den Zellen liefern die mit drei bis fünf kurzen, protoplasmatischen Fortsätzen versehenen Zellen der Kernschicht des Kleinhirns. Diese Zellfortsätze zerfallen schliesslich in einige noch kürzere und stumpfe Endzweige, so dass sie einem Vogelfusse ähneln. Der Sinn einer solchen eigenthümlichen Form der Protoplasmafortsätze liegt, wie ich mich überzeugen konnte, darin, dass die Endverzweigungen der Fortsätze der einen Zellen sich mit ähnlichen Endverzweigungen von anderen Zellen verketten, wodurch eben die Wechselbeziehung zwischen den Zellelementen der Kernschicht hergestellt wird (Fig. 4). Die soeben angegebene Art der Wechselbeziehung zwischen den Nervenzellen möge eine Vereinigung der benachbarten Nervenzellen in ihrer Thätigkeit zu bewerkstelligen im Stande sein.

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Fig. 4. al die Fasern, welche von der Kernschicht ausgehen, sich in der Molecularschicht der Kleinhirnrinde verästeln; ff die Fäserchen, welche die Zweige der Cylinderfortsätze der sternförmigen Zellen ausmachen. Rechts zwischen fund Faser a liegt eine PURKINJE'sche Zelle. (GOLGI'sches Präparat.)

Es entsteht nun die Frage, ob nicht zwischen den Cylinderfortsätzen der verschiedenen Nervenzellen irgend welche von den von uns zwischen den protoplasmatischen Fortsätzen verschiedener Zellen angetroffenen Wechselbeziehungen sich vorfinden. Diese Frage möchte ich vorläufig nicht mit einem entschiedenen Nein beantworten. Ich habe mich nämlich überzeugen können, dass in der Kleinhirnrinde einige von den aus der tiefer gelegenen Körnerschicht zwischen die PURKINJE'schen Zellen in der Molecularschicht tretenden Axencylindern von den feinsten Verzweigungen der aus den sternförmigen Zellen der Molecularschicht stammenden Axencylinder umflochten werden (Fig. 4).

Im höchsten Grade interessant erscheint die Frage nach der Leitungs

richtung der Nervenimpulse in den Zellfortsätzen. Die Mehrzahl der Autoren, welche nach der GOLGI'schen Methode gearbeitet haben, spricht sich in dem Sinne aus, dass der Cylinderfortsatz in centrifugaler (cellulofugal), die protoplasmatischen Fortsätze aber in centripetaler Richtung, folglich zur Zelle hin (cellulopetal), leiten, womit auch R. Y CAJAL einverstanden ist. Die scheinbare von den sensiblen Nerven gebildete Ausnahme von dieser Regel findet ihre Erklärung darin, dass die Fasern des peripher von den Ganglien befindlichen Abschnittes der cerebralen sensiblen Nerven ihrem Wesen nach als modificirte Dendriten der bipolaren Zellen der Ganglien erscheinen, während die Fasern des anderen, central von den Ganglien gelegenen Abschnittes wirkliche Axencylinder darstellen. Als Beweis hierfür dient nicht allein der Umstand, dass die Fasern des peripheren Abschnittes der sensiblen Nerven, im Vergleich zu den centralen, stets dicker erscheinen, sondern auch die Entwickelungsgeschichte der peripheren Nerven. Ebenso kann bei den unipolaren Zellen der Intevertebralganglien der stärkere Zweig ihres einzigen Fortsatzes mit dem Protoplasmafortsatze, der centrale, feinere Zweig aber mit dem Cylinderfortsatze verglichen werden, wofür besonders der Umstand spricht, dass in einer bestimmten Periode der Entwickelung die unipolaren Zellen der Intervertebralganglien, sowohl bei Menschen wie bei den Säugethieren, bipolar erscheinen, in welcher Form sie bei einigen Fischen noch während der ganzen Lebenszeit fortexistiren. Nur mit dem Fortschreiten der Entwickelung des Säugethierorganismus krümmt sich der Zellkörper der bipolaren Zelle der Intervertebralganglien allmählich, so dass die beiden Fortsätze sich mit ihren Bases einander nähern, sich endlich vereinigen und die bekannte Tförmige Figur bilden. Durch diese Verallgemeinerung erhält die oben erwähnte Annahme, dass die Cylinderfortsätze in centrifugaler, die protoplasmatischen aber in centripetaler Richtung leiten, eine bedeutende Stütze.

Es fragt sich jedoch, inwiefern diese Annahme mit anderen nach der GOLGI'schen Methode erhaltenen Thatsachen im Einklang steht. Gegen die bedingungslose Verallgemeinerung der ersten Hälfte dieser Aunahme, welche eine Leitung der Cylinderfortsätze nur in centrifugaler Richtung zulässt, spricht allem Anscheine nach unsere Beobachtung der Verflechtung der Cylinderfortsätze zweier veschiedener Zellen in der Kleinhirnrinde. Diese Beobachtung in Acht nehmend, müssen wir der Vorsicht halber vorläufig nur behaupten, dass die Cylinderfortsätze überall da, wo sie mit protoplasmatischen Fortsätzen und den Körpern anderer Zellen in Wechselbeziehung treten, in centrifugaler, oder richtiger cellulofugaler Richtung leiten. Die Bedeutung dieser, das Resultat der Einführung der GOLGI'schen Methode in die Anatomie des Nervensystems bildenden Behauptung, muss Allen einleuchten, da uns hierdurch die Möglichkeit geboten ist, die Richtung der Verbreitung der Nervenerregung in den am complicirtesten gebauten Abschnitten des centralen Nervensystems zu verfolgen, was bisher fast unmöglich war.

Was die Frage über die Leitung der Dendriten anbetrifft, so ist es, unserer Meinung nach, etwas verfrüht zu behaupten, dass sie überall nur in centri

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