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I. Originalmittheir ren.

1. Weitere Mittheil ngen wa den Stabkræve des
menschlichen Grosshirns.

Von Prof. Paul Flechsig.

Ich habe bereits in meinen früheren Mittheilungen (dieses Blatt 1895 Nr. 23 und 24) darauf hingewiesen, dass die Stabkranzbündel zwar im Allgemeinen auf dem kürzesten Weg radiär von der inneren Kapsel zur Rinde verlaufen, dass einzelne Abtheilungen indess auffällige Umwege machen. Diese Thatsachen scheinen mir für die topische Diagnostik der Gehirnkrankheiten so wichtig, dass ich es für zweckmässig halte, näher auf dieselben einzugehen.

1. Der sog. Fasciculus longitudinalis inferior BURDACH wurde bisher beschrieben als ein Associationssystem, welches den Hinterhauptslappen mit dem gesammten Schläfenlappen, besonders auch seinen vorderen Abschnitten verbindet. Ich habe bereits früher erwähnt, dass dies ein grober Irrthum ist. Das untere Längsbündel ist eines der am frühesten sich mit Mark umhüllenden Bündel des Grosshirnmarkes und lässt sich in Folge dessen beim ca. 1 Woche alten Neugeborenen vollständig und genau übersehen. Es ergiebt sich hierbei, dass die fraglichen Bündel allerdings nach hinten im Hinterhauptslappen, speciell in der Sehsphäre endigen, dass sie aber nach vorn nicht mit der Rinde sondern mit dem Thalamus opticus sich verbinden. Sie machen hierbei einen beträchtlichen Umweg, indem sie im Schläfenlappen nach vorn laufen bis zur Gegend unmittelbar nach aussen-hinten vom Mandelkern und hier nach oben. umbiegen mit zum Theil spitzwinkliger Knickung, so dass sie das Unterhorn von vornher umgreifen. Im Thalamus treten sie theils mit den basalen Abschnitten des Lateralkerns bezw. dem „schalenförmigen Körper" in Verbindung, zum Theil steigen sie an der hinteren Fläche des Pulvinar im Stratum zonale in die Höhe und gelangen in den Hauptkern (FLECHSIG VON TSCHISCH). Sie durchflechten hierbei ein starkes Faserbündel, welches von der oberen Fläche des äusseren Kniehöckers aus durch das Pulvinar nach dem hinteren Stratum zonale zieht, und hängen die Fasern beider Bündel wohl zum Theil zusammen.

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Der Fasciculus longitudinalis inferior ist also nichts weiter als ein Theil der Sehstrahlung GRATIOLET'S. Er wird auf seinem Weg vom Sehhügel zur Aussenseite des Unterhorns begleitet von Stabkranzbündeln des Thalamus, welche zu Riechsphäre und Ammonshorn ziehen und aussen vom Mandelkern nach vorn umbiegen. Hierdurch entsteht der Anschein, als ob Fasern des Fasciculus longitudinalis inferior zur Hakenwindung u. s. w. zögen.

Aus der Sehstrahlung treten dicht hinter dem Thalamus (noch bevor sie den Aussenrand des Ventrikels erreicht) zahlreiche Fasern in den Schläfen

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lappen über; es handelt sich hier zum Theil um Stabkranzbündel der Hörsphäre, welche vom inneren Kniehöcker herbeiziehen, zum Theil um Thalamusfasern. Es ist auf rein anatomischem Weg nicht mit Sicherheit auszuschliessen, dass einzelne Bündel, welche zwischen 1. Schläfenwindung und Sehstrahlung laufen, in letzterer nach hinten umbiegen und zur Sehsphäre ziehen. So lange aber nicht nachgewiesen ist, dass bei Erkrankung der Sehsphäre grade diese Fasern secundar degeneriren, schwebt die Annahme, dass es sich hier um Associationssysteme zwischen Seh- und Hörsphäre handelt, durchaus in der Luft. An und für sich würde es ja denkbar sein, dass auch im Stabkranz gelegentlich Associationsbündel verlaufen, dass Bündel des ersteren den letzteren als Leitbänder dienen; indess ist diese Frage bisher nicht mit Sicherheit gelöst. Zwischen Thalamus und Sehsphäre gehen also von der Sehstrahlung Bündel, welche man mit einiger Sicherheit für Associationssysteme erklären könnte, nicht ab. Es treten vom Gyrus angularis, der 2. Schläfen windung u. s. w. her Fasern mehr oder weniger rechtwinklig an die Sehstrahlung heran; sie laufen aber hindurch zur Balkenschicht zunächst der Ventrikelwand.

Diese Thatsachen erscheinen besonders einschneidend gegenüber den Folgerungen, die SACHS auf die Annahme gegründet hat, dass sein im Wesentlichen mit dem Fasciculus longit. inferior identisches Stratum sagittale externum das wichtigste Associationssystem zwischen der Sehsphäre und den an der Sprache betheiligten Rindengebieten des Schläfenlappens, insbesondere auch der ersten Schläfenwindung bilde. Das Stratum sagittale externum hat in der Hauptsache sicher mit Associationsvorgängen nichts zu schaffen und somit auch nicht mit der Association von Gesichts- und Gehörseindrücken, bezw. deren Erinnerungsbildern es ist eben ein Stabkranzbündel. Hiermit fällt auch die von SACHS aufgestellte, von Anderen vielfach wiederholte Behauptung, dass der Schläfenlappen bezüglich des Besitzes von Associationssystemen, besonders langen, alle anderen Grosshirntheile übertreffe, und dass so die anatomische Untersuchung die unheimliche Gewalt verstehen lehre, welche das Wort über den Menschen hat". Das von mir als temporales Associationscentrum bezeichnete Gebiet (2., 3. Schläfen- und Spindelwindung) lässt allerdings äusserst zahlreiche, kurze und mittellange Associationssysteme erkennen, desgleichen viele Balkenfasern, aber keineswegs mehr, als das parietale Associationscentrum, welches sogar an Balkenfasern reicher zu sein scheint. In der 1. Schläfenwindung läuft u. a. ein besonders mächtiges Bündel zwischen Hörsphäre und Spitze des Schläfenlappens.

1 Meist zum Gyrus temporalis transversus anterior, in geringerer Zahl zum posterior. Der erstere nimmt in Bezug auf die Markentwickelung eine ganz besondere Stellung unter den Schläfen windungen ein, indem er allen anderen weit vorauseilt. Der Stabkranz der Hörsphäre, welche zum grössten Theil in ihm liegt, setzt sich aus zwei getrennt verlaufenden Bündeln zusammen, einem oberen, mehr horizontal, auf dem kürzesten Weg aus der inneren Kapsel einstrahlenden und einem unteren, zunächst mit der Sehstrahlung zur Aussenseite des Unterhorns verlaufenden und dann vertical aufsteigenden. Wie mir scheint hängen besonders die letzteren Fasern mit dem Corpas geniculatum internum zusammen.

Insofern bisher, wie es scheint, nicht beobachtet worden ist, dass an der A ussenseite des Unterhorns dicht hinter dem Mandelkern gelegene Herde Gesichtsfelddefecte zur Folge haben, erscheint es mir fraglich, dass die Sehstra hlung ausschliesslich der Leitung von Gesichtseindrücken dient; vermuthlich sind auch die centrifugalen Bahnen darin enthalten, welche der Sehsphäre einen Einfluss auf Muskelbewegungen sichern u. a. m.

2. Der Stabkranz der „,Körper-Fühlsphäre" (meiner „,Tastsphäre“, motorische Zone der Autoren) verläuft, wie ich bereits früher angegeben habe, zum Theil auf einem weiten Umweg durch das vordere Stirnhirn von der inneren Kapsel zur Rinde. Es betrifft dies besonders die Bahnen für den Fuss der ersten Stirnwindung und das mittlere Drittel des Gyrus fornicatus. Diese Bündel gelangen im Mark des Stirnhirns bis auf wenige (2-3) Centimeter an den,,Pol" desselben heran. Durch Erweichungsherde, welche das vorderste Stirnhirn betreffen, können also auch beim Menschen u. a. Fasern unterbrochen werden, welche zwischen den Rindenfeldern für Rumpf- und Nackenmuskeln und der inneren Kapsel verlaufen. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch Störungen der Bewegungen von Rumpf und Nacken hervorgerufen werden können, welche ausser allem Zusammenhange mit den Functionen der Rinde des Stirnpols stehen. Die Symptome, welche Verletzungen meines frontalen Associationscentrums begleiten, sind deshalb zu zerlegen in solche, welche von der Rindedesselben, und solche, welche von vorüberziehenden Stabkranzbündeln der KörperFühlsphäre abhängen.

3. Im ,,Fasciculus subcallosus" (MURATOFF) sind Stabkranzbündel enthalten, welche in dem ganzen vor der Mitte des Thalamus gelegenen Abschnitt aus der inneren Kapsel (Sehhügel, Hirnschenkelfuss u. s. w.) austreten, verschieden lange Strecken neben dem Schwanzkern verlaufen, zum Theil nach vorn bis zum Balkenknie gelangen und sich dem Stabkranze des Gyrus fornicatus und der vorderen Abschnitte meiner ,,Tastsphäre" anschliessen. Einzelne dieser Stabkranzbündel ziehen fast durch ein Drittel der Länge der Hemisphären hindurch in sagittaler Richtung. Es gesellen sich ihnen Balkenfasern zu, welche sie zum Theil bis nach vorn begleiten, zum Theil nach hinten gegen die Schläfenhinterhauptslappen umbiegen; vom Stratum zonale des Schwanzkerns mischen sich nur äusserst wenig Bündel bei.

Dieser Complex verschiedenartiger Fasern hat Anlass zu allerhand Constructionen (Associationssystem des Nucleus caudatus SACHS, frontal-occipitales Associationssystem DEJERINE u. A. u. s. w.) gegeben; die Untersuchung des kindlichen Gehirns lässt erkennen, dass durchgehende Associationsfasern, welche Schläfen hinterhaupt- und Stirnhirn verbinden, nur in ganz verschwindender Zahl darin enthalten sein könnten.

2. Zur Frage von den secundären Veränderungen der weissen Substanz des Rückenmarks bei Erkrankung der Cauda equina.

Von Prof. L. O. Darkschewitsch zu Kasan.

Gegenwärtig wird vielfach die Frage erörtert, von welchen Veränderungen im Centralorgan die Erkrankungen des peripheren Nervensystems begleitet sind, wobei zu letzterem auch derjenige Abschnitt der sensiblen Wurzelfaser gezählt wird, welcher centralwärts vom entsprechenden Ganglion gelegen ist. Zur Beleuchtung dieser Frage verfügen wir bereits über eine grosse Anzahl von experimentellen Thatsachen, dagegen sind die pathologisch-anatomischen Befunde für's Erste noch recht spärlich. Jeder neue Fall, welcher diese oder jene Seite der genannten Frage klarstellt oder auch nur einmal mehr eine schon beobachtete Erscheinung bestätigt, ist deshalb von gewissem Interesse und verdient durchaus Beachtung.

Diese Erwägung veranlasst mich, hier einen Fall von Erkrankung der Cauda equina zu beschreiben, wo aufsteigende Veränderungen im Rückenmark eintraten.

Intra vitam wurde das klinische Bild leider aus von uns unabhängigen Gründen nicht genügend klargestellt, so dass wir dasselbe mit Stillschweigen übergehen. Was aber den makroskopischen Befund bei der Obduction betrifft, so ist im Wesentlichen Folgendes zu constatiren.

In der Beckenhöhle findet sich eine ausgedehnte Neubildung (Carcinom), welche die abdominale Fläche des 2., 3. und 4. Lendenwirbels in bedeutender Ausdehnung ergriffen hat, in die Wirbelhöhle aber nicht eingedrungen ist. Dislocation der afficirten Wirbel ist nicht vorhanden. Die Dura bietet entsprechend den beiden mittleren Vierteln der Cauda equina das ausgeprägte Bild einer Pachymeningitis externa hypertrophica dar; oberhalb und unterhalb dieses Gebietes nehmen die entzündlichen Erscheinungen rasch ab und schwinden gänzlich. Ebenfalls im Bereiche der beiden mittleren Viertel der Cauda equina zeigt die innere Fläche der Dura mater gleichfalls deutliche Spuren von plastischem Exsudat, welches die Wurzelfasern unter einander und mit der freien Oberfläche der Dura verlöthet. Doch war die Verlöthung eine so lockere, dass es mittelst gewöhnlicher Präparirnadeln mit Leichtigkeit gelang, die Wurzelfäden Sowohl von einander, als von der Dura abzulösen. Nach der äusseren Besichtigung wurde das Rückenmark in toto in MÜLLER'sche Flüssigkeit gelegt und die weitere, ausführlichere Untersuchung des Objects erst dann ausgeführt, als das Präparat schon hinreichend gehärtet war. Die meiste Aufmerksamkeit wurde dabei in erster Reihe auf die Rückenmarkswurzeln, in zweiter auf das Rückenmark selbst verwendet.

Die zur Cauda equina gehörigen Wurzelfasern waren von durchaus eigenartigem Aussehen. Bei Betrachtung der Cauda von ihrer hinteren Fläche erschienen die hinteren Wurzelfasern von einer die ungefähre Grenze des unteren

Viertels der Cauda bildenden unregelmässigen Linie an (Fig. 1, 6) bis zum Eintritt in's Rückenmark verdünnt und von hellerer Färbung als die normalen Fasern. Betrachtete man die Cauda equina von vorn, so war die gleiche Verdünnung und blassere Färbung auch an den vorderen Wurzeln zu sehen, nur mit dem Unterschiede, dass hier die Grenze zwischen dem normalen und veränderten Abschnitt in einer Linie verlief, welche horizontal das untere Ende des Conus medullaris durchschnitt (Fig. 1, a): die Fasern, welche oberhalb dieser Linie lagen, hatten normales Aussehen, die unterhalb befindlichen dagegen bis dicht zum Eintritt in die Oeffnungen der Dura mater, erschienen verändert. Noch deutlicher waren die erwähnten Veränderungen wahrzunehmen, nachdem der unterste Abschnitt des Rückenmarkes in einzelne Segmente zerlegt wurde. Auf Fig. 2 ist ein solches Segment vom Niveau des Eintritts des ersten Sacralwurzelpaares in's Rückenmark dargestellt. Hier ist deutlich zu sehen, dass die vorderen Wurzelfasern (Fig. 2, 4) in der Nähe des Rückenmarkes

a

Fig. 1. Cauda equina
v. vorn gesehen; Terste
Lumbalwurzel, s erste
Sacralwurzel.

Fig. 2. Segment des Rückenmarks mit eintretenden
Wurzelfasern. A vordere Wurzelfasern, Phintere Wurzel-
fasern, a, c normaler Theil, b, d entzündeter Theil der
Wurzelfasern.

normale Färbung haben (Fig. 2, a), in einer Entfernung von 20-25 mm. aber eine hellgelbe Farbe annehmen und zugleich deutlich dünner werden (Fig. 2, b). Was die hinteren Fasern anbelangt (Fig. 2, P), so sind die Erscheinungen dort gerade umgekehrt. Die peripheren Abschnitte sind hier von normaler Dicke und Färbung (Fig. 2, c) die centralen hingegen, welche mit dem Rückenmark in unmittelbarem Zusammenhange stehen, sind von hellerer Färbung und erheblich verdünnt (Fig. 2, d).

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