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der Zeit besser geworden sind, so hat der Aachener Process doch manches zu Tage gefördert, was der Abhilfe und Verbesserung bedarf. Verlangt wurde immer die Controle; eine solche, meint Vortr., hat allerdings niemals aufgehört, aber es ist gewiss, dass selbst die schärfste Controle nicht gut ist, wenn sie nicht gewährleistet wird durch den Bildungsgrad und die Charaktereigenschaften des Aerzte- und des Wartepersonals. Diese Erkenntniss ist auch zum Ausdrucke gebracht in dem Erlasse vom 20. September 1895, den Ref. nunmehr einer Besprechung unterzieht. Er bemängelt zunächst, dass nicht genau angegeben ist, wie lange derjenige, welcher zur Leitung einer Anstalt befähigt sein soll, psychiatrisch vorher ausgebildet sein muss, ebenso, dass ganz allgemein gesagt ist, er müsse an einer grösseren Anstalt ausgebildet sein. Ferner bestehe doch ein erheblicher Unterschied zwischen Volontärarzt und eigentlichem Assistenten, da ersterer den Kranken doch lange nicht so nahe trete, wie letzterer. Es sei dann weiter nicht recht einzusehen, warum ein Assistent, der mehrere Jahre an einer Privatanstalt thätig gewesen, nicht auch zur selbständigen Leitung einer solchen befähigt sein solle. In Zukunft würde es noch schwieriger sein, für Privatanstalten Assistenten zu erhalten, da eine Thätigkeit an derselben ihnen keine Anwartschaft auf spätere Selbständigkeit biete. J. meint, dass es vielleicht besser wäre, wenn in dem Aufnahmeattest das Verlangen nach bestimmter Diagnose weggelassen wäre, da solche nicht immer gleich zu stellen ist; aus demselben Grunde wäre es besser, dass das Verlangen nach Angabe über die Heilbarkeit des Kranken bei Ueberweisung von einer Anstalt in die andere weggelassen werden könnte. Ref. verbreitet sich zum Schluss darüber, wann ein Kranker aus der Anstalt entlassen werden soll, und meint, dass, wenn Streitigkeiten zwischen dem Bezirksphysicus und dem Anstaltsleiter darüber entstehen, eine höhere Instanz bestehen müsse, welche in solchen Fällen die Entscheidung trifft. Im Ganzen sei der Erlass mit Freuden zu begrüssen.

Herr Gock stimmt im Allgemeinen den erlassenen Bestimmungen zu und glaubt, dass dadurch das Ansehen der Irrenanstalten sich wieder heben wird. Es sei mit Freude zu begrüssen, dass die Aufnahmebedingungen nicht erschwert sind und denjenigen entsprechen, welche für öffentliche Anstalten gelten. G. ist gleichfalls dafür, dass das Verlangen, sofort eine exacte Diagnose zu stellen, wegfallen möchte. Wenn die Beurlaubung als eine zeitweise Entlassung aufgefasst werde, so ist die Zeit von 14 Tagen zu kurz bemessen, für andere Beurlaubungen, etwa zum Besuche der Angehörigen, sei sie mehr als ausreichend. Eine 1-2 jährige Thätigkeit des Arztes an einer Anstalt müsse als erforderlich angesehen werden für denjenigen, der befähigt sein soll, später selbständig eine solche zu leiten. Wenn man aber verlange, dass der Leiter der Anstalt durch längere Thätigkeit an einer öffentlichen Irrenanstalt vorgebildet sein soll, so muss auch anderseits verlangt werden, dass aus der Controlcommission wenigstens einer die gleiche Ausbildung gehabt habe. Zum Schluss schlägt G. folgende Resolution vor: Der psychiatrische Verein zu Berlin begrüsst den Erlass vom 20. September als eine zweckmässige und in ihren Folgen wohlthätige Maassregel.

Herr Leppmann: In der Gewerbeordnung ist keine Definition darüber gegeben, was man unter einer Privatirrenanstalt zu verstehen hat. Diese Verordnung braucht nicht nur auf geschlossene Anstalten bezogen zu werden, sondern auf jedes Krankenhaus, Sanatorium u. s. w., wo Geisteskranke Aufnahme gefunden haben. Mit der neuen Verordnung werden die geschlossenen Anstalten einer gewissen Controle unterstellt, während die anderen, eben genannten dieser Beaufsichtigung nicht unterstehen, so dass zu befürchten ist, dass die Unzulänglichkeiten, welche sich an Privatirrenanstalten gezeigt haben, nunmehr verlegt werden könnten in die genannten Anstalten, Siechenhäuser, Sanatorien, Stiftungen, Unterrichtsanstalten für Idioten und Schwachsinnige u. s. w. L. hält die Fragebögen, die bei der Aufnahme eines Kranken auszufüllen sind, für sehr unpraktisch, da derjenige, welcher ein klares Bild von der

Seelenstörung eines Aufgenommenen geben will, dadurch sehr eingeengt ist, während sie für andere cine willkommene Attrappe bilden.

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Herr Fränkel fragt an, was man unter Angehörige des Kranken alles zu verstehen hat und ob das Recht, Jemanden in die Anstalt zu bringen, Jedem zusteht. Jeder Arzt müsse wissen, dass, wenn er einen Kranken in die Anstalt schicke, ein Attest beilegen müsse, da der Besitzer der Anstalt sonst den Kranken zurückweisen müsse und dadurch Gefahren entstehen können, wie F. mit Beispielen belegt. Ferner sei es sehr wünschenswerth, wenn die Verwaltungsorgane bei Bestätigung der Aufnahme eines Geisteskranken mehr Sachkenntniss an den Tag legten, da unglaubliche Dinge dabei vorkämen. Dem Anstaltsarzte müsse es unbedingt erlaubt sein, die Briefe, welche der Kranke schreibe oder erhalten soll, vorher durchzulesen, einerseits um allzu grosse Kosten und Belästigungen zu verhindern, andererseits zu verhüten, dass der Kranke selbst dadurch in Aufregung versetzt werde.

Herr Moeli freut sich, dass die Maassnahmen von Seiten der Mitglieder des Vereins eine wohlwollende Aufnahme gefunden haben. Er ist mit den Vorrednern gleich überzeugt, dass viele Punkte änderungsbedürftig sind, aber sie liessen sich nicht alle in dem kurzgefassten Erlasse anbringen. Es soll erst einmal ein Versuch gemacht werden.

An der Discussion betheiligten sich noch Richter, Zenker, Zinn und Jastrowitz. Jabobsohn.

IV. Personalien.

Unser sehr verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Hermann Schlesinger hat sich an der Universität Wien als Privatdocent habilitirt.

V. Eingegangene Bücher und Separatabdrücke.

Morselli Enrico, Dott. Prof.: Manuale di semeiotica delle malattie mentali. Miliano. 1895. Buchholz, Dr. Albert: Ueber die chronische Paranoia bei epileptischen Individuen. Habilitationsschrift, Leipzig 1895.

Kaes, Dr. Theodor: Ueber den Markfasergehalt der Grosshirnrinde eines 11⁄4 jährigen männlichen Kindes. Hamburg und Leipzig 1896.

Ziehen, Prof. Dr. Th.: Leitfaden der physiologischen Psychologie. Jena 1896.

Marina, Dr. Alessandro: Ueber multiple Augenmuskellähmungen. Leipzig u. Wien 1896. Le Maitre, Dr. Paul: Contribution à l'étude des états cataleptiques dans les maladies mentales. Paris 1895.

R. Wollenberg: Ueber gewisse psychische Störungen nach Selbstmordversuchen durch Erhängen. Leipzig 1895.

Moraga, Dr. Prof. A.: Dermatoneurosis cutaneas ó séa enfermedades de la piel de origen nervioso. Santiago de Chile 1895.

Sighicelli, Dott. Celso: Un nuovo metodo di cura delle paralisi di origine amiotrofica e periferica. Milano 1895.

Gutzmann, Albert: Die Gesundheitspflege der Sprache mit Einschluss der Behandlung von Sprachstörungen in der Schule. Breslau 1895.

Löwenfeld, L.: Žur Casuistik der imitatorischen Nervenkrankheiten.

Wochenschrift, Nr. 43 ff., 1895.

Münchner med.

Derselbe: Ein Fall mit Zwangsvorstellungen zusammenhängender corticaler Krämpfe. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde.) Sep.-Abdr.

Lenhossék, M. v.: Centrosom und Sphäre in den Spinalganglienzellen des Frosches. (Arch. f. Mikrosk. Anat. Bd. 46, 1895)

Jahresbericht der Provinzial-Irren-Anstalt zu Leubus i./Schlesien.

Prof. Marina: Ricerche anthropologiche ed etnografiche sui Ragazzi. Fratelli Bocca. Torino 1896.

Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten..
Einsendungen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20.

Verlag von VRIT & COMP. in Leipzig.

Druck von METZGER & WITTIG in Leipzig.

NEUROLOGISCHES CENTRALBLATT.

Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.

Fünfzehnter

Herausgegeben von

Professor Dr. E. Mendel
zu Berlin.

Jahrgang.

Monatlich erscheinen zwei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, sowie direct von der Verlagsbuchhandlung.

1896.

15. Januar.

Nr. 2.

Inhalt. I. Originalmittheilungen. 1. Die Lehre von den Neuronen und die Entladungstheorie, von Prof. W. v. Bechterew. 2. Zur Frage der forensischen Beurtheilung sexueller Vergehen, von Dr. A. Hoche. 3. Ueber die Nervenzellen der gegen die Wuthkrankheit eingeimpften Hunde, von Dr. Béla Nagy.

II. Referate. Anatomie. 1. Sulla struttura del nucleo dentato del cervelletto nell' uomo. Nota del Lugaro. 2. Ueber den menschenähnlichsten Affen, von Waldeyer. Experimentelle Physiologie. 3. Brain Origin, by Broadbent. 4. On the nature of the physiological element in emotion, by Wright. 5. Beitrag zur Frage der gleichzeitigen Thätigkeit antagonistisch wirkender Muskeln, von Hering. 6. Ueber die Fortleitung der Erregung im wasserstarren Muskel, von Kaiser. Pathologische Anatomie. 7. Ueber die schwere Form der Arteriosclerose im Centralnervensystem, von Jacobsohn. 8. Beitrag zur pathologischen Anatomie der Tamoren des Rückenmarks und seiner Häute, von Müller. 9. Die pathologische Anatomie der progressiven Muskelatrophie, von Cramer. Pathologie des Nervensystems. 10. Case of syphilitic tumours of the spinal cord with symptoms simulating syringomyelia, by Beevor. 11. Contribution à l'étude des troubles trophiques et vasomoteurs dans la syringomyélie, par Dejerine et Mirallé. 12. Ein Fall von Tetauie und Psychose mit tödtlichem Ausgange bei einem Kranken mit Syringomyelie, von Hochhaus. 13. Érzésbeli zavarok syringomyeliás eloxtodása spinalis apoplexianál, von Keresztszeghy. 14. A case of syringomyelia, by Beevor and Sunn. 15. Beitrag zur Casuistik atypischer Formen der Syringomyelie, von Hatschek. 16. Syringomyelia, by Mc Weeney. 17. Ueber Pachymeningitis cervicalis hypertrophica, von Köppen. 18. Weitere Mittheilungen über die paroxyomale, familiäre Lähmung, von Goldflam. 19. Ein Fall von wahrer Muskelhypertrophie, nebst Bemerkungen über die Beziehungen der wahren Hypertrophie zur Pseudohypertrophie der Muskeln, von Fulda. 20. Dystrophia muscularis progressiva, von Kausch. 21. Case of marked muscular atrophy of hands and fore-arms-progressive muscular atrophy, by Ness. 22. Ein Fall von congenitaler halbseitiger Hypertrophie mit Makroglossie, von Kopal. 23. Right facial atrophy, by Beevor. 24. Pseudohypertrophie musculaire chez un adulte, par Sacara-Tulbure. 25. Troubles trophiques osseux et articulaires chez un homme atteint d'atrophie musculaire myelopathique, par Prontois et Étienne. Psychiatrie. 26. Abnormal man etc., by Donald. 27. Contribution à la psychologie du vagabondage. Un vagabond, qui se range, par Cullerre. 28. I giuochi dei criminali, del Carrara. 29. La malattia mentale del Tasso, pel Roncoroni.

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III. Aus den Gesellschaften. Wiener medicinischer Club. Verein für Psychiatrie und Neurologie in Wien. Wissenschaftliche Versammlung der Aerzte der St. Petersburger Klinik für Geistes- und Nervenkranke.

IV. Bibliographie.

V. Vermischtes.

I. Originalmittheilungen.

1. Die Lehre von den Neuronen und die Entladungstheorie. (Untersuchungsresultate des Nervensystems nach der Golgi'schen Methode.) (Mit 4 Figuren.)

Von Prof. W. v. Bechterew.

Schon in Kasan (1886-1887) habe ich selber und auch der eine Zeit lang in dem von mir gegründeten psycho-physiologischen Laboratorium der Kasaner Universität arbeitende Dr. SMELOw angefangen, das centrale Nervensystem mittelst Silberbehandlung der Präparate nach der GOLGr'schen Methode zu untersuchen. Mit meiner Ueberführung in die medicinische Akademie zu St. Petersburg sind diese Untersuchungen viel umfangreicher geworden, da ausser mir noch eine ganze Reihe von Aerzten, wie z. B. die Herren DDr. F. TELÄTNIK, L. BLUMENAU, KOROLKOW, GIESE, OSSIPON u. A., diese oder jene Abschnitte des Nervensystems nach der GoLor'schen Methode systematisch bearbeitet hat. Mit der Zeit werden natürlich die Resultate dieser Untersuchungen mit genügender Ausführlichkeit im Druck erscheinen. Vorläufig beabsichtige ich nur, an der Hand der von mir selber, wie auch von den erwähnten Personen angefertigten Präparate einige Bemerkungen bezüglich der Grundideen der neuesten Lehre über die Neurone von WALDEYER und die sog. Contacttheorie zu machen.

Vor Allem führt die Silberbehandlung der verschiedenen Gehirntheile nach der GOLGI'schen Methode zum Schluss, dass, mit wenigen Ausnahmen, die Zellen des centralen Nervensystems der höheren Säugethiere unipolar erscheinen, weil sie ausser den mehr oder weniger stark sich verzweigenden protoplasmatischen Fortsätzen nur einen einzigen Cylinder- oder Nervenfortsatz besitzen. Letzterer giebt, wie GOLGI gezeigt hat, in einigen Fällen von sich aus Collateralen ab und bildet schliesslich eine frei endende Nervenfaser (die Zellen erster Art oder sog. motorische Zellen nach GOLGI), in anderen Fällen aber zerfällt er bald in eine Menge ebenfalls frei endigender feinster Fäserchen und verliert somit seine. Individualität (sog. Zellen zweiter Art oder sensible Zellen nach GOLGI). Zwischen den Zellen der ersten und zweiten Art werden hin und wieder auch Uebergangsformen angetroffen, d. h. Zellen, deren Cylinderfortsatz schon an seiner Ursprungsstelle, theils in viele feine Zweige zerfällt, theils in eine Nervenfaser übergeht. Solche Zellen sind von LENHOSSEK im Rückenmark und von mir unter den sternförmigen Zellen der Molecularschicht des Kleinhirns angetroffen worden (s. Fig. 1).

In der äusseren Schicht der Hirnrinde niederer Thiere sind von R. Y CAJAL u. A. Zellen mit zweien oder sogar einigen Fortsätzen, welche

1 S. die Artikel von L. BLUMENAU und F. TELÄTNIK im,,Neurol. Wiestnik" (russisch). 1895.

alle die äusseren Merkmale der Nerven- oder Cylinderfortsätze besassen, beschrieben worden. In der Hirnrinde der höheren Säugethiere und des Menschen bin ich bisher nicht auf ähnliche Zellen gestossen, und sollten

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Fig. 1. a die Sternzellen der Molecularschicht der Kleinhirnrinde; c Axencylinderfortsatz, welcher theilweise schnell und vielfach sich verzweigt, theilweise in Fasern übergeht; f, f die Fasern welche sich bei der Zelle verästeln (GOLGr'sches Präparat).

solche Zellen bei denselben auch vorkommen, so gehören sie jedenfalls zu den seltenen Formen. Auch die Zellen, welchen ein Cylinderfortsatz ganz abgeht, oder die sog. apolaren Zellen, zu deren Repräsentanten die körnigen Zellen der Kernschicht des Bulbus olfactorius gehören, sind zweifellos zu den seltenen Formen zu zählen. Ausser den apolaren körnigen Zellen des Bulbus olfactorius habe ich bei meinen Untersuchungen des Centralnervensytems nur die in den Kerben der PURKINJE'schen Zellen des Kleinhirns liegenden, bisher noch nicht beschriebenen sehr kleinen Zellelemente getroffen, welche, wie es scheint, auch der apolaren Form angehören (Fig. 2).

Zelle von dem Korbe Fig. 2. Die apolare der PURKINJE'schen Zelle der Kleinhirn

Es unterliegt ferner keinem Zweifel und stimmt auch mit der Ansicht von R. Y CAJAL überein, dass die Cylinderfortsätze der Zellen des Centralnervensystems und ihrer Collateralen mit einander nicht anastomosiren und überhaupt keine Netze, wie GOLGI annahm, bilden. Im Gegentheil endigen sowohl die Cylinderfortsätze und die von ihnen gebildeten Fasern, wie die Collateralen der Cylinderfortsätze und ebenso auch jene Aeste, in welche bei den Zellen mit kurzem Cylinderfortsatz letzterer zerfällt, überall frei, dabei nicht selten sich mit ihren Endverzweigungen mit den protoplasmatischen Fortsätzen und Körpern anderer Zellen verflechtend.

rinde. (GOLGI'sches Präparat.)

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