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Die Finger dieser Hand weisen, wie die nach Photographien hergestellten Abbildungen zeigen, schwere Mutilationen auf: am II., III. und IV. Finger fehlen die Endphalangen vollkommen, am kleinen Finger ist sie stark verkrüppelt. Auf den Stümpfen sitzen die rissigen Fragmente der Nägel (Fig. 1 u. 2).

Die Veränderungen an der rechten Hand sind nicht so weitgehend. In der Vola sind ähnliche Risse und Schwielen wie links. An der Dorsalfläche der

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ersten beiden Phalangen des Mittelfingers ist ein oberflächlicher Substanzverlust auffallend.

Die Prüfung der Sensibilität ergab folgendes Resultat: Die tactile Empfindung an der Brust, am Nacken und Rücken ist überall gut erhalten; dagegen ist das Schmerz- und Temperaturgefühl links sehr erheblich, rechts in geringerem Grade herabgesetzt und zwar bis zur Höhe des VII. Brustwirbels. Analog ist der Befund an den oberen Extremitäten. Auch hier ist bei stärkerem Hervortreten der Erscheinungen an der linken Seite Schmerz- und Temperaturgefühl stark herabgesetzt, während die tactile Empfindung nicht wesentlich gestört ist.

An der Streckseite des linken Vorderarms besteht vollkommene Thermoanästhesie und Analgesie. An der linken Hand ist auch die Empfindung für Berührung herabgesetzt aber doch bei weitem nicht in dem Grade wie für die beiden anderen Qualitäten. Das Muskel und Lagegefühl der oberen Extremitäten, soweit es bei ihrer geringen Beweglichkeit sich prüfen lässt, zeigt keine Abweichung von der Norm.

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Die Motilität und Sensibilität der unteren Extremitäten bietet ebenfalls nichts abnormes; die Patellarreflexe sind lebhaft, Fuss- oder Patellarclonus nicht auslösbar. Die visceralen Reflexe sind intact.

Es bestehen also bei diesem Falle 3 Reihen von Erscheinungen: 1. Störungen in der motorischen Sphäre, welche sich durch Atrophie und Parese hauptsächlich in der Musculatur des Schultergürtels kundgeben; 2. Sensibilitätsstörungen in der Form der partiellen Empfindungslähmung für das Schmerz- und Temperaturgefühl am oberen Theile des Rumpfes und den oberen Extremitäten; 3. trophische Störungen, welche besonders hervortreten in der Beschaffenheit der Haut

an den Händen, in den schweren Mutilationen der Finger der linken Hand und den eigenartigen Veränderungen an 3 Gelenken, welche grosse Aehnlichkeit mit tabischen Arthropathien besitzen.

Durch diese Trias ist das Krankheitsbild bestimmt. Es handelt sich um eine Syringomyelie des Hals- und obersten Brustmarkes und zwar wegen des starken Hervortretens der trophischen Störungen um jene Form der Syringomyelie, welche lange Zeit als selbständiges Krankheitsbild unter dem Namen der MORVAN'schen Krankheit ging. Seit im Jahre 1891 ROTH und BERNHARDT darauf hingewiesen haben, dass alle diejenigen Symptome, die MORVAN als charakteristisch für seine Paréso-analgésie hinstellte, auch in gleicher Weise bei der Syringomyelie gefunden werden, ist in klinischer und anatomischer Hinsicht von zahlreichen Autoren der sichere Nachweis geführt worden, dass die MORVAN'sche Krankheit nur eine Ausdrucksform der Syringomyelie ist.

Eine besondere Hervorhebung verdienen in dem vorliegenden Falle die in drei Gelenken bestehenden Arthropathien. Es darf dieser Befund bei einer Frau, welche bei ihrer Beschäftigung traumatischen Einflüssen niemals sonderlich ausgesetzt war, wohl als eine Seltenheit bezeichnet werden. Auch die Verwachsung der Haut am rechten Oberarm. mit der Fascie und dem Lacertus fibr. der Bicepssehne, welche spontan ohne vorhergehenden entzündlichen Process an der Haut oder dem Unterbautzellengewebe entstand, und in ihrem Aussehen an die DUPUYTREN'Sche Contractur der Palmaraponeurose erinnert, dürfte kein häufiges Vorkommniss bei dem in Rede stehenden Krankheitsbilde sein.

Die Differentialdiagnose bietet bei diesem Falle nur nach einer Richtung hin einige Schwierigkeiten und zwar gegenüber der Lepra anaesth., welche zu einem Symptomencomplex führen kann, der mit demjenigen der Syringomyelie die grösste Aehnlichkeit besitzt. Bei unserer Pat. spricht gegen Lepra vor allem das Fehlen des ätiologischen Momentes; sie hat nie in einer Gegend gelebt, in welcher Lepra endemisch ist, und auch sonst keine Gelegenheit zur Infection gehabt.

Von anderweitigen Momenten, welche gegen Lepra sprechen, wäre hervorzuheben das Fehlen jeglicher Pigmentationsanomalien der Haut, das Fehlen von Veränderungen an den Nervenstämmen, die ausgesprochene Dissociation der Empfindungslähmung und das ausschliessliche Befallensein der oberen Extremitäten. Die mehrmals wiederholte Untersuchung des Blutes und des Secretes excoriirter Hautstellen auf Leprabacillen ergab negativen Befund.

Herrn Prof. MENDEL, meinem verehrten Chef, sage ich für die Ueberlassung des Falles meinen ergebenen Dank.

II. Referate.

Anatomie.

1) Zur Methodik statistischer Untersuchungen über die Ohrformen von Geisteskranken und Verbrechern, von Prof. Dr. G. Schwalbe in Strassburg. (Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Bd. XXVII. S. 633 ff.) Schon im Bd. XIV. des Neurolog. Centralbl. ist auf S. 616 die Schwalbe'sche Zählkarte für Degenerationszeichen am Ohre abgedruckt worden. In der vorliegenden Arbeit ist eine Anleitung zur Benutzung dieser Zählkarte für die Ermittelung der Maass- und Formverhältnisse des Ohres gegeben. Auch sind einige Holzschnitte zur Erläuterung der gebrauchten Ausdrücke beigegeben.

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Schwalbe betont, dass es nicht statthaft ist, die Ohren von Angehörigen verschiedener Racen untereinander zu vergleichen, dass stets die Vergleichung zu erfolgen habe zwischen Normalen, Geisteskranken und Verbrechern desselben Gebiets. Georg Ilberg (Sonnenstein).

2) Zur Frage über den feineren Bau des sympathischen Nervensystems bei den Säugethieren, von Prof. Dogiel. (Arch. f. mikr. Anat. Bd. XLVI. 1895.)

Nach kurzer Darlegung der heute geltenden Anschauungen über den Aufbau des sympathischen Nervensystems geht D. an die Schilderung seiner eigenen Befunde, die mit seiner Modification der Methylenblaufärbung gewonnen wurden. Bezüglich der Gallenblasenganglien, die er zunächst beschreibt, giebt D. an, dass die Mehrzahl der Nervenfasern marklose Fasern darstellen, die theils aus den Gallenblasenganglien, theils aus dem Plexus solaris stammen. Von den markhaltigen Fasern verliert der grössere Theil nach vielfacher Theilung im Ganglion seine Markscheide und endigt an den Ganglienzellen, ein anderer Theil geht unmittelbar zu den Blutgefässen, der Rest endlich durchsetzt bloss die Ganglion.

Die Ganglienzellen selbst zeigen eine ähnliche Structur wie bei der Nisslfärbung. Die Zahl ihrer Dendriten ist eine verschieden grosse, zwischen 1-2 bis 12 und mehr. Sie theilen sich mehrfach und bilden an der Peripherie der Ganglien ein dichtes Geflecht: ,,das allgemeine periphere Geflecht."

Im Gegensatze zu R. y Cajal nimmt D. an, dass alle Zellen eines Ganglions durch ein Geflecht, welches durch ihre Protoplasmafortsätze gebildet wird, associirt sind. Einzelne dieser Protoplasmafortsätze reichen auch noch in das nächste Ganglion hinein.

Jede Zelle besitzt bloss einen Axencylinder, der mit einer conusartigen Verdickung entspringt, bisweilen erst aus einem Protoplasmafortsatze sich entwickelt. Der Axencylinder, der nur wenig färbbare Substanz enthält, giebt zahlreiche Collateralen ab und endigt, um die Zellen ein pericelluläres Geflecht bildend. Ein zweites pericelluläres Geflecht wird von den markhaltigen Nervenfasern gebildet, die aus dem Centralnervensysteme stammen. Redlich (Wien).

3) Recherches histologiques sur le système nerveux central et périphérique du Bombyx mori, par A. Benedicenti. (Arch. italiennes de Biologie. Tome XXIV. I. 1895.)

Färbung durch Injection mit Methylenblau. Das Centralnervensystem des Seidenwurmes setzt sich zusammen aus den Ganglien und den sie verbindenden Commissuren; die Larve enthält 13, das entwickelte Insect 8 Ganglien, die unter

Commissure

einander durch 2 Nervenstränge (die oft in eiuen zusammenfliessen) interganglionnaire oder Cordon conjonctif - verbunden sind. Letztere bestehen aus zahlreichen Nervenfasern, die durch eine Scheide (Neurilemm) zusammengehalten werden. In jedem Cordon conjonctif treten 3 dickere Fasern hervor, die sich erst violett, später blau färben und alsbald einer Art Coagulation verfallen. Sie durchsetzen, geradlinig verlaufend, ohne ihre Gestalt zu verändern, die Ganglien. Ausser diesen dicken Fasern erkennt man solche von etwas geringerem Durchmesser, die ebenfalls leicht coaguliren. Die Hauptmasse der Fasern indess ist von sehr feiner und zarter Beschaffenheit und nimmt einen leicht gewundenen Verlauf; man sieht sie theils bis ins Ganglion ziehen, theils vor diesem in nicht näher zu erkennender Weise aufhören.

Die Ganglien färben sich viel langsamer als die Nervenstränge. Sie sind durch setzt von einer grossen Menge sich erst violett, dann blau färbender, kleiner, unregelmässiger Granulationen, die hier und da durch feine Fäden (Nervenfibrillen) verbunden sind (,,Punktsubstanz"). Die Granulationen entsprechen den Kreuzungspunkten. Viel später als diese färben sich die Nervenzellen; diese sind an der Peripherie gelegen. Das ganze Ganglion ist von einer sehr empfindlichen Membran umgeben, nach deren sehr leicht eintretender Zerreissung einzelne Zellen heraustreten und dann isolirt der Betrachtung gut zugänglich sind. Unter ihnen befinden sich in beschränkter Anzahl grosse, von einer Membran ungebene Zellen von runder oder ovaler Form, mit einem einzigen deutlichen Fortsatz, granulirtem, sich gleich stark blau tingirendem Protoplasma, einem fast ungefärbten, grossen, runden Kern, der wiederum Granula enthält in verschiedener Form und Anzahl.

Viel zahlreicher sind kleinere Zellen von runder oder birnförmiger Gestalt mit einem Fortsatz, den man mehr oder minder weit verfolgen kann, und der sich in 2 oder mehr Aeste theilte, einer Membran, einem sehr voluminösen Kerne, granulirtem, leicht färbbarem Protoplasma. Die Fortsätze der grossen Zellen der einen Seite verflechten sich mit den Zellfortsätzen der gegenüberliegenden Seite. Die kleinen Zellen senden einzelne Fortsätze in die lateral aus dem Ganglion heraustretenden Nerven.

Schliesslich werden die Musculatur, die peripherischen Nerven und deren Endapparate beschrieben. Letztere sind verschieden, je nach dem sie der Larve oder dem entwickelten Insect angehören. Boedeker (Lichtenberg-Berlin).

Experimentelle Physiologie.

4) Ueber periodische Schwankungen der Hirnrindenfunctionen, von Dr. Richard Stern, Privatdocent. (Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Bd. XXVII. S. 850 ff.)

Stern hat als Folgezustand von Kopfverletzung in 2 Fällen eine periodisch auftretende Herabsetzung der Sensibilität auf allen Sinnesgebieten, intermittirende Parese mit gleichzeitiger Ataxie der willkürlichen Musculatur und bald geringere bald stärkere Abnahme der intellectuellen Leistungsfähigkeit beobachtet. Er bestimmte die Dauer und Häufigkeit der Perioden, in denen die einzelnen Functionen herabgesetzt waren, sowie die Länge der dazwischen liegenden Zeiträume, er prüfte die Schwankungen der Berührungs- und Schmerzempfindung, der elektrocutanen Sensibilität, der Temperaturempfindung und des Ortssinns, der Bewegungs- und Lageempfindung, des Kraftsinns, des Gesichtssinns, des Gehörs, Geruchs und Geschmacks. Auch die Intensitätsschwankungen der Reflexe, die intermittirende Ataxie, die Abnahme der motorischen Kraft, sowie die Betheiligung der Athmung an den Schwankungen, zog er in den Kreis seiner Untersuchungen. Er befasste sich auch mit den psychischen Vorgängen, indem er die Reactionszeit für acustische Eindrücke

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