Images de page
PDF
ePub

erheblichen Zunahme der Stickstoff- und Schwefelausscheidung im Urin und in entsprechender Abnahme des Körpergewichts zu erkennen gaben. Die klinischen Erscheinungen waren denen des Typhus pellagrosus sehr ähnlich. 21 Stunden nach der Injection: Temperatur 40,41; kleiner, frequenter Puls, trockene Zunge, psychische Niedergeschlagenheit, diffuse, fibrilläre Muskelzuckungen, gesteigerte Reflexerregbarkeit, deutliche Paraparese. Nach 48 Stunden: Coma, tonische Contracturen, epileptiforme Convulsionen mit Trismus und Mydriasis; Temperatur 40,5. Nach 3 Tagen befanden sich die Thiere noch im Zustande halber Bewusstlosigkeit, dann erholten sie sich allmählich, zeigten jedoch noch lange nachher allgemeine Schwäche und Motilitätsstörungen in den hinteren Extremitäten. Die Urinmenge war dauernd vermehrt, am 2. und 3. Tage nach der Injection trotz vollständiger Abstinenz um das Drei- bis Vierfache; in den Nieren fanden sich bei der mikroskopischen Untersuchung nur unwesentliche Veränderungen. Es sei deshalb ausgeschlossen, dass der geschilderte Symptomencomplex etwa durch eine Complication von Seiten der Nieren hervorgerufen war; es könne vielmehr nur eine directe Einwirkung der toxischen Substanzen auf das Centralnervensystem in Betracht kommen. Ziertmann (Leubus.).

32) Der Lathyrismus. Klinische Vorlesungen von Prof. A. Koshewnikow. (Wjestrik psichiatrii i nevropatologii. 1894. X, 2. [Russisch].)

Im Winter 1891/92 brach auf einem Gut im Tambow'schen Gouvernement eine endemische Krankheit aus: von 140 Feldarbeitern, die daselbst unter gleichen Lebens- und Ernährungsbedingungen beschäftigt waren, erkrankten 30 in auffällig ähnlicher Weise. Fünf von diesen Erkrankten wurden in die Moskauer Nervenklinik aufgenommen, wo sie längere Zeit zur Beobachtung und Behandlung verblieben, und Verf. giebt nun eine ausführliche Beschreibung ihrer Erkrankung. Der Anfang derselben bestand bei allen darin, dass ihnen das Gehen und Stehen schwer wurde, die Füsse zitterten, die Beine steif waren, bald darauf, ungefähr nach einer Woche gesellten sich dazu schmerzhafte Krämpfe in den Waden und Zittern der Hände. Ferner war der Harndrang gesteigert und musste sofort befriedigt werden; bei zweien bestand einige Zeit incontinentia alvi, bei allen war die sexuelle Potenz herabgesetzt. Alle klagten über Kältegefühl in den Beinen, manche auch über Rückenschmerzen. Alle fünf Patienten waren bereits viele Monate vor der Aufnahme krank geworden, und waren angeblich schon besser, als im Anfang der Erkrankung. Die objective Untersuchung in der Klinik ergab bei allen das Vorhandensein einer spastischen Parese der Unterextremitäten mit Rigidität der Musculatur und erheblicher Steigerung der Sehnenreflexe; ferner geringfügige Herabsetzung der electrischen Erregbarkeit der Nerven und Muskeln an den Beinen. Die periphere Temperatur an den Unterextremitäten war, entsprechend dem Kältegefühl, bedeutend herabgesetzt. Ernährung der Muskeln, Hautsensibilität, sowie alle übrigen Functionen ohne Veränderung. In der Klinik besserte sich ein wenig der allgemeine Ernährungszustand der Patienten, auch die subjectiven Beschwerden wurden etwas geringer, aber die spastische Parese und Gehstörung dauerten fort.

Was die Ursache der Erkrankung anbetrifft, so war bei keinem der Patienten erbliche Belastung, syphilitische Infection oder Alkoholismus vorhanden. Der einzige Umstand, der in ätiologischer Hinsicht zur Erklärung dieses endemisch aufgetretenen Leidens dienen konnte, bestand darin, dass die Kost der erwähnten Arbeiter zum beträch lichen Theil aus Mehl von Lathyrus sativus bereitet wurde. Verf. macht auf die Uebereinstimmung des klinischen Bildes aufmerksam, die unzweifelhaft zwischen den von ihm beschriebenen fünf Fällen und den Beobachtungen anderer Autoren (Cantani, Bunnelli, Prengrueber, Irving u. a.) über Lathyrismus besteht. Abgesehen von geringfügigen Verschiedenheiten, beschreiben fast alle als Folge von

Lathyrusvergiftung hauptsächlich Steifigkeit der Beine, Gehstörung und subjective Sensibilitätsstörungen an den Unterextremitäten. Verf. nimmt an, dass es sich dabei um eine chronische Erkrankung des Rückenmarkes mit vorzüglicher Localisation in den Seitensträngen handelt. Im Anschluss an seine eigenen Fälle bespricht Verf. die Angaben anderer Autoren und giebt einen geschichtlichen Ueberblick über die Lehre vom Lathyrismus. Seine Beobachtungen sind die ersten, die in Russland über diesen Gegenstand gemacht wurden; nur Dr. Schabalin und Dr. Ssimidalow beschrieben im vorigen Jahre (Medicinskoje Obosrenije, 1893, No. 4 und 8. Russisch) einige Fälle von Lathyrismus aus derselben Gruppe, aus welcher die Beobachtungen des Verf. stammen. P. Rosenbach.

Psychiatrie.

33) La pazzia nei tempi antichi e nei moderni, del C. Lombroso. (Archivio di psichiatria etc. Vol. XVI.)

Nach einem Hinweis auf die in den letzten Decennien eingetretene und ziffernmässig nachweisbare Zunahme der Geisteskrankheiten und besonders bestimmter Irreseinsformen, wie progressive Paralyse, Epilepsie, Alkoholismus, Morphinismus, Neurasthenie und Hysterie bringt L. zunächst eine Fülle mit staunenswerthem Fleisse aus der Litteratur gesammelter Einzelheiten über den Zustand der Psychiatrie bei den alten Indern, Aegyptern und Hebräern. Besonders bei den ersteren erfreute sich die Psychiatrie einer hohen Ausbildung; sie unterschieden nicht weniger als 16 Formen des Irreseins, darunter der Beschreibung nach die progressive Paralyse, die Hypomanie und die Dämonomanie, ihre Therapie war bewundernswert und fast analog der modernen, es finden sich die minutiösesten, auf eine hochentwickelte Beobachtungsgabe hindeutenden Aufzeichnungen über den Zustand der Haut und der inneren Organe bei den einzelnen Psychosen. Unter Anführung zahlreicher Beispiele berichtet L. dann weiter, dass rudimentäre Kenntnisse in der Psychiatrie sich ebenso bei den wilden Völkerschaften Asiens, Afrikas und Amerikas wie bei den Bewohnern der Südseeinseln vorfinden. Schliesslich wendet er sich zur Besprechung der epidemischen Psychosen, namentlich des Mittelalters, und erörtert eingehend die Gründe ihres Auftretens und ihrer Verbreitung. Leider ist es nicht möglich, auf die Einzelheiten der interessanten Ausführungen Lombroso's im Rahmen des Referates näher einzugehen, es muss in dieser Hinsicht auf das Original verwiesen werden.

Ziertmann (Leubus.)

34) Homogenic love etc., by Carpenter. (Als Manuskript gedruckt.) (Manchester 1894.)

Verf. bespricht in obiger, 51 Seiten starken Broschüre zunächst die wichtige Rolle der,,conträren Sexualempfindung" in der Geschichte und Kunst. Die bedeutendsten, dabei edelsten Geister waren der homosexuellen Liebe ergeben, Männer, wie Plato, Virgil, Gadi, Hafis, Michelangelo, Shakespeare, Tennyson, Whitman u. s. w. Eine so weitverbreitete Seite der Liebe, die so Grosses geschaffen und der grössten Aufopferung und Treue fähig ist, kann nichts Abnormes sein, sondern muss als eine legitime Form der Liebe angesehen werden. Denn dass sie nicht die Fortpflanzung des Menschen bezweckt, kann ihr unmöglich zum Vorwurfe gemacht werden. Ohne ganz des sexuellen Anstrichs zu entbehren, ist sie den groben Verirrungen, die ihr die Laien zuschreiben, doch fern, und männliche Prostitution u. s. w. ist ebenso verabscheuenswerth als die weibliche. Die homosexuelle Liebe involvirt durchaus keine Depravation des Körpers oder des Charakters, keine psychopathische Minderwerthigkeit, und es ist fraglich, ob hier mehr Nervenkrankheiten als sonst zugleich vorkommen. (Immer ist bloss die Rede vom angeboren en homosexuellen Instincte,

nicht von der grossen Classe der durch Gelegenheit oder Blasirtheit so Gewordenen.) Wichtig ist diese ,,besondere Varietät der Geschlechtsliebe" in der Gesellschaft, weil sie grössere geistige u. s. w. Früchte zeitigen kann als die sexuelle; sie sollte daher nicht missachtet und verfolgt, sondern vom Gesetze genau so wie die geschlechtliche Liebe angesehen und behandelt werden. Näcke (Hubertusburg).

IV. Aus den Gesellschaften.

XXVII. Versammlung des Südwestdeutschen psychiatrischen Vereins. Karlsruhe, 9. und 10. November 1895.

I. Sitzung. 9. November 1895, Nachmittags 3 Uhr.

1. Die epileptischen Geisteszustände mit Bezug auf die Strafrechtspflege.

Der erste Referent, Prof. Dr. Kirn (Freiburg i. B.), sprach über die verschiedenen Formen epileptischer Geistesstörungen, die erfahrungsgemäss so überaus häufig die Kranken in irgend welche Conflicte mit dem Strafgesetze bringen. Bei der Beurtheilung, ob das betreffende Individuum für verantwortlich zu erklären sei oder nicht, genügt keineswegs der Nachweis, dass es epileptisch sei, sondern es müsste stets wieder in jedem einzelnen Falle nachgewiesen werden, ob und welcher Zusammenhang zwischen Epilepsie und der incriminirten Handlung bestehe. Ref. geht dann auf die Schwierigkeiten ein, welche die verschiedenen Formen epileptischer Geistesstörung für die Beurtheilung in foro bieten, speciell das Verhalten der Erinnerung. Wesentlich Neues wurde in dem Referate nicht vorgebracht.

Der zweite Referent, Dr. Wildermuth (Stuttgart), behandelt den klinischen Theil der Frage mit Rücksicht darauf, ob sich in foro verwerthbare Anhaltspunkte finden bezüglich acuter und chronischer Geistesstörungen, körperlichen und allgemein psychischen Verhaltens, Anamnese speciell Aetiologie, die einen sicheren Schluss auf Epilepsie gestatten. Er theilt die Epilepsie ein in die sog. Epilepsia vera, Intoxicationsepilepsie (speciell nach Alkohol, dem er als ätiologisches Moment auf Grund seiner Erfahrungen keine besondere Wichtigkeit beimisst), Jackson'sche Epilepsie, Reflexepilepsie und Epilepsie nach Polioencephalitis infantilis. Auf 240 Fälle eigener Beobachtung vertheilen sich die einzelnen Classen folgendermaassen: 82% E. vera, 1,4% E. alcoholica, 13,3 % Epilepsie nach Polioencephalitis, 5,8% Jackson'sche Epilepsie, 0,4% Reflexepilepsie. Bei den forensisch in erster Linie in Betracht kommenden epileptischen Dämmerzuständen ist das Charakteristische der traumhaft veränderte Bewusstseinszustand. Die Uebergänge zwischen den einzelnen Formen epileptischer Bewusstseinsstörungen (incl. typischem Anfall) sind fliessende. Ref. geht dann auf die nach den vorwiegenden gemeinsamen Symptomen abgrenzbaren verschiedenen Formen epileptischer Psychosen ein und erörtert das Verhalten der Amnesie, die nach seinem Dafürhalten eine vollständige ist nach Dämmerzuständen mit automatischem Handeln. Als charakteristisch sei das acute Einsetzen zu betrachten mit oder ohne die bekannten prodromalen Beschwerden. Ref. erwähnt das Auftreten von elementaren Störungen ohne Bewusstseinsänderung, namentlich bei jugendlichen Personen, wie man es meist als prä- oder postepileptisches Symptom, nur selten als Aequivalent früher vorhandener typischer Anfälle beobachten könne. Das Vorkommen transitorischer epileptischer Psychosen ohne sonstige typische Anfälle müsse zugestanden werden. Characteristica der epileptischen Psychose seien in erster Linie: Plötzlicher Beginn; traumhaft veränderter Bewusstseinszustand verschiedener Intensität; Sinnestäuschungen mit oft grotesker oder mystisch religiöser Färbung; thörichte oder verbrecherische Handlungen neben unauffälligem Benehmen; schwere Angstzustände; Amnesie wechselnden Grades; Periodicität; ausserdem sei

Werth auf den Nachweis der chronischen epileptischen Degeneration zu legen, die man in 70% constatiren kann. Als Characteristica zweiten Grades führt Ref. an: primär auftretende Gedächtnissschwäche; lang erhaltenes Krankheitsbewusstsein; bornirte,,laudatio familiae". Frömmelei und ethische Degeneration seien nicht so häufig, wie angenommen werde. Specifische körperliche Symptome in den freien Intervallen seien nicht vorhanden. Als anamnestisch und ätiologisch wichtig seien zu bezeichnen: Heredität (49-50%); acute und chronische Krankheiten (8%); Trauma capitis (6). Directe Ursachen konnte Ref. in 84% nicht nachweisen. Bei corticaler Epilepsie fand Ref. in 43% Trauma als Ursache. Für das Zustandekommen der Reflexepilepsie seien besonders Narben im Gebiete der Kopfnerven, speciell Trigeminus, von Bedeutung. Das epileptische Irresein sei bei diesen Fällen von Reflexepilepsie 3 Mal häufiger als bei den übrigen Formen von Epilepsie. Ref. bespricht dann noch die dem Zustandekommen von Epilepsie nach Trauma günstigen Verhältnisse und die bis zum Ausbruche nothwendige ,,Incubationszeit" (eine Woche bis mehrere Jahre). (Die beiden Referate werden in extenso in der Allgem. Zeitschrift für Psychiatrie veröffentlicht.)

--

[ocr errors]
[ocr errors]

In der Discussion weist Kräpelin (Heidelberg) auf die diagnostische Bedeutung der epileptischen Verstimmungen hin und betont die ausserordentliche Wichtigkeit des Alkohols für das Zustandekommen aller möglichen epileptischen Irreseinszustände incl. pathologische Rauschzustände und dipsomanische Anfälle. Tuczek (Marburg) weist hinsichtlich der Zeugnissfähigkeit der Epileptiker auf das Hinübernehmen von Traumerlebnissen aus den Dämmerzuständen in die Erinnerung des wachen Lebens hin. Er meint, sie könnten als Wahnideen bestehen bleiben und Anlass zur Paranoiabildung werden. Wildermuth wiederholt, dass in Süddeutschland der Alkohol hinsichtlich der Epilepsie keine hervorragende Rolle spiele. Fürstner (Strassburg) glaubt, dass bei den Verstimmungen der Epileptiker event. übersehene nächtliche Anfälle im Spiele sein könnten. Die Tiefe der Amnesie sei proportional der Tiefe der Bewusstseinsstörung, es handle sich meist nicht um Bewusstlosigkeit. Kräpelin: Zwischen Tiefe der Amnesie und Tiefe der Bewusstseinsstörung bestehe kein bestimmter Zusammenhang. Die Erinnerung kann unmittelbar nach dem Anfalle vorhanden sein und später erlöschen und umgekehrt. Siemerling (Tübingen) spricht eingehender über das Verhalten der Erinnerung nach den Dämmerzuständen. In foro sei der Nachweis epileptischer Antecedentien von Wichtigkeit. Ob man die von Kräpelin erwähnten Verstimmungen dazu zählen könne, sei fraglich, da sie auch bei anderen Psychosen und Schwachsinnszuständen vorkämen. Die Alkoholepilepsie sei sehr häufig. Nach den Erfahrungen in der Charité erkrankt ca. die Hälfte der Trinker an Epilepsie. Aschaffenburg (Heidelberg): Die Kenntniss der bei Epileptikern auftretenden periodischen, spontanen Verstimmungen ist sehr wichtig. Im Verlaufe derselben können die betreffenden Personen sehr leicht strafbare impulsive Handlungen begehen. Gelingt es, für die Zeit der That das Bestehen einer solchen Verstimmung nachzuweisen, so müsse man consequenter Weise dem Individuum den Schutz des § 51 zubilligen. Die Verstimmungen seien in 64% bei 50 beobachteten Fällen nachgewiesen worden. Thomsen (Bonn) weist darauf hin, dass das eigenthümliche Verhalten des Gedächtnisses beim epileptischen Dämmerzustande im Vergleiche mit fast gleichzeitigen Geschehnissen in foro, event. zur Annahme von Simulation führen könne. Forensisch halte er den Nachweis des typisch epileptischen Anfalles für unerlässlich. Auf eine Anfrage Stark's (Stephansfeld) bespricht Siemerling die Entstehung der Krampfanfälle bei Trinkern. Er macht u. A. darauf aufmerksam, dass die Anfälle oft als tetanische Krämpfe bei erhaltenem Bewusstsein auftreten. Das Bild ähnele einer Strychninvergiftung. In solchen Fällen könne man an giftige Umsetzungsproducte des Alkohols im Organismus denken. Die Schnapssorte sei irrelevant. Sodann bespricht S. noch das sog. doppelte Bewusstsein und theilt einen Fall mit,

in dem während der Dämmerzustände die in den Intervallen verlorene Erinnerung für die Vorkommnisse während früherer Anfälle wiederkehrte, um nachher wieder zu verschwinden. Kräpelin betont wiederholt die Wichtigkeit der Kenntniss der periodischen Verstimmungen der Epileptiker und fordert zu weiteren Beobachtungen auf. Um übersehene Anfälle könne es sich nicht gehandelt haben, da die Kranken unter steter Bewachung auch bei Nacht gestanden hätten. Schüle (Illenau): Man solle in der Verwendung diagnostischer Einzelsymptome sehr vorsichtig sein und in foro den Begriff der Epilepsie eher enger als weiter fassen. Ludwig (Heppenheim): In foro empfehle es sich, den Dämmerzustand als solchen auf eine ganz besondere Verschiebung der normalen Beziehungen des in unmittelbarer Verbindung mit der vorausgegangenen Erregung in Thätigkeit versetzten Bewusstseins zu dem Selbstbewusstsein im Sinne Wundt's, Kräpelin's u. A. zurückzuführen.

2. Fürstner (Strassburg): Zur Pathologie gewisser Krampfanfälle.

F. hebt die Schwierigkeiten hervor, die sich ganz besonders bei jugendlichen Individuen der richtigen Beurtheilung von Krampfanfällen entgegenstellen. Es fehle an sicheren diagnostischen Stützen für die Differentialdiagnose zwischen hysterischen und epileptischen Insulten. Kinder seien nicht immun gegen Hysterie, spec. hysterische Krampfanfälle. Bis zum 8. Lebensjahre ist das männliche Geschlecht bei hysterischen Krampfanfällen stärker betheiligt; erbliche Belastung trete nicht besonders hervor; die den Anfall auslösenden Ursachen sind verschieden; Anfälle bis zu zwei und mehr täglich; Neigung zu statusartigen Zuständen; hier und da Temperatursteigerungen; Bild des Anfalles wechselnd; Bromkali unwirksam, leichtes Auftreten von Bromismus. Anfälle cessiren oft plötzlich, oder schliessen sich nach und nach an bestimmte Vorkommnisse (Nahrungsaufnahme u. s. w.) an. Prognose günstig. Die in der Pubertätsperiode auftretenden hysterischen Anfälle haben im Wesentlichen denselben Typus und Prognose. Nur treten deutlicher hysterische Symptome (Globusgefühl u. s. w.) in den Vordergrund. Vortr. macht hauptsächlich auf eine eigenthümliche Form von Appetitlosigkeit aufmerksam, bei der die Nahrungsaufnahme immer ungenügender werde und vasomotorische Störungen sich einstellen. Psychische Therapie auch hier zu empfehlen (Entfernung aus der Familie). Fälle, in denen nach in der Jugend erlittener schwerer Kopfverletzung oder organischem Hirnleiden im Verlaufe von Jahren epileptische Anfälle auftreten. F. theilt mehrere Fälle mit und empfiehlt frühzeitige Behandlung mit Brom, bezw. operativen Eingriff. Die Besprechung der epileptischen Anfälle, die als Frühsymptome organischer Hirnleiden (Tumoren, Erkrankungen des Gefässapparates, Paralyse), sowie im Verlaufe functioneller Psychosen auftreten, bildet den Schluss des Vortrages, der a. a. O. in extenso publicirt werden wird.

-

In der Discussion erwähnt Siemerling, dass Hysterie bei ganz kleinen Kindern nicht selten vorkomme. In zwei Fällen war Schreck die Ursache. Souveränes Mittel sei Trennung von den Angehörigen. Als ätiologisches Moment bei der sog. Spätepilepsie spielten Infectionskrankheiten (Masern, Scharlach, Diphtherie) eine wichtige Rolle. Wildermuth hält Brom für ein geradezu differential diagnostisches Mittel zur Unterscheidung zwischen Hysterie und Epilepsie. Auch er sah ausgesprochene typisch hysterische Anfälle bei Patienten im Alter von 10-16 Jahren. Unkelhäuser (Giessen) erwähnt einen Fall, in dem typisch hysterische Krämpfe und später hysterisches Irresein bei einem jungen Manne nach einem Streite mit dem Bruder auftraten.

-

3. Hoche (Strassburg): Zur Frage der forensischen Beurtheilung sexueller Vergehen. (Wird unter Originalien dieser Zeitschrift veröffentlicht werden.)

4. Kräpelin (Heidelberg): Ueber Remissionen in der Katatonie. Vortr. berichtet über die an 63 beobachteten Fällen sicherer Katatonie bezüglich des Verlaufs, speciell der Remissionen und Rückfälle gemachten Beobachtungen. Die Ergebnisse werden in folgenden Sätzen zusammengefasst:

« PrécédentContinuer »