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sogar erhebliche Strapazen mit Belastung der Wirbelsäule zu ertragen vermögen, beweist der vom Verf. schon früher mitgetheilte Fall eines Soldaten, der noch bis 8 Tage vor seinem Tode trotz einer enormen Caries der Lendenwirbelsäule ohne Beschwerden hatte Dienst thun können. Unter allen ätiologischen Momenten für das Zustandekommen der Compressionsmyelitis spielt die tuberculöse Spondylitis die weitaus wesentlichste Rolle. Als Vorläufer der eigentlichen Compressionslähmung kann man die Schmerzen bezeichnen, die den entzündlichen Process in der Wirbelsäule ankündigen. Dieselben werden häufig wenig beachtet, meist als Rheumatismus, Hexenschuss u. s. w. gedeutet, nehmen aber häufig neuralgiformen Charakter an und sind begleitet von Parästhesien im Gebiete von Nerven, deren Wurzeln durch die Entzündung der Wirbelsäule gereizt werden. In solchen Fällen wird es bei genauer Untersuchung, auch wenn noch kein Gibbus und keine deutlichen Lähmungserscheinungen vorhanden sind, möglich sein, frühzeitig an die Eventualität einer Wirbelerkrankung zu denken. Die Symptomatologie der Fälle des Verf. bietet im ganzen keine wesentlichen Abweichungen von dem gewöhnlichen Krankheitsbilde dar. 4 Pat. starben, davon 3 an tuberculöser Caries; der vierte Fall betraf eine 61 jähr. Pat., bei der sich im Anschluss an einen Fall die Symptome einer Querschnittsmyelitis und eine sehr schmerzhafte Kyphose des 9. und 10. Brustwirbels entwickelt hatte. Unter rapider Entwickelung von Decubitus, einen doppelseitigen Schenkelvenenthrombose und hypostatischer Pneumonie ging die Kranke etwa 8 Wochen nach dem ersten Auftreten stärkerer Compressionserscheinungen zu Grunde. Als Ursache der Erkrankung deckte die Obduction nicht etwa die erwartete tuberculöse Caries, sondern überraschender Weise eine rareficirende Spondylitis auf, die ohne Bedenken als Folge des Traumas anzusehen ist. Von diesem und einem zweiten Fall theilt Verf. die mikroskopischen Untersuchungsergebnisse mit. In beiden Fällen fand sich absteigende Pyramidendegeneration, aufsteigende Degeneration der Kleinhirnseitenstrangbahnen und der Hinterstränge, vornehmlich des Goll'schen; im letzterwähnten Falle konnte Verf. eine absteigende Degeneration des Schultze'schen Kommaförmigen Feldes nachweisen. Von den übrigen 12 Pat. konnten 3 völlig geheilt, 9 zum Theil sehr erheblich gebessert entlassen werden, trotzdem in einzelnen Fällen sehr schwere und prognostisch ungünstige Symptome (schwerer Decubitus, Venenthrombose) vorhanden waren.

Die Behandlung hat zunächst Immobilisation bei möglichster Ausgleichung der Deviation der Wirbelsäule zu erheben. Bei cervicalen Spondylitiden empfiehlt sich Extension am Kopfe. Ferner kommen in Betracht die äussere Anwendung von Kälte bei Reizerscheinungen, innerlich Jod, Creosot und Roborantien. Symptomatisch hat sich in einem Fall Curare subcutan als sehr nützlich gegen schmerzhafte clonische Zuckungen erwiesen. Besonders wichtig ist die Körperpflege der Kranken. Nach Beseitigung der schwersten Compressionserscheinungen tritt die orthopädische Behandlung in Thähigkeit und gestattet durch Anlegung von Stützcorsetts den Kranken oft eine frühzeitige und sichere Bewegung.

Bezüglich aller Einzelheiten muss auf die interessante Originalarbeit verwiesen
Martin Bloch (Berlin).

werden.

19) Mal de Pott dorso-lombaire, par Léon Bouchacourt. (Bull. de la Soc. anat. 1895. Mars.)

Bei einem 11jähr. Mädchen bestand ein Malum Pottii im Bereich der oberen Lendenwirbelsäule. Der Tod erfolgte durch eine hinzukommende Hirntuberkulose. Das neuropathologische Interesse knüpft sich namentlich an die intra vitam beobachtete Paraparese der Beine (mit fibrillärem Muskelzittern), an die Incontinentia. alvi et vesicae und die trophischen Störungen der Haut der Unterextremitäten. Die Section ergab nämlich, dass die Aorta descendens im Bereich der untersten Dorsalund der Lendenwirbelsäule an fünf verschiedenen Stellen, zum Theil spitzwinklig,

abgeknickt war. Da das Rückenmark nachweislich nirgends comprimirt war, möchte Verf. die Störungen an den unteren Extremitäten auf die Inflexionen der Aorta zurückführen. Durch die zugleich im Gehirn gefundenen Tuberkelherde verliert diese Annahme allerdings viel an Sicherheit. Th. Ziehen.

20) Die Physiologie des Trigeminus nach Untersuchungen an Menschen, bei denen das Ganglion Gasseri entfernt worden ist, von Prof. Dr. Fedor Krause in Altona. (Münchener medicinische Wochenschrift. 1895.

Nr. 25, 26 u. 27.)

In 5 Fällen von schwerer Quintusneuralgie nahm Verf. die operative Entfernung des Ganglion Gasseri und des central davon gelegenen Trigeminusstammes vor. Es tritt danach innerhalb der 3 Aeste vollständige Anästhesie ein, doch verhalten sich die einzelnen Gefühlsqualitäten unter einander verschieden. Ferner liess sich feststellen, dass die Grenzen der anästhetetischen Gebiete und der Grad der Empfindungslosigkeit im Laufe der Zeit eine deutliche Abnahme erfahren. Es wurde die Tast-, Schmerz-, Kälte- und Wärmeempfindung, der Orts- und Localisationssinn sowie das stereognostische Gefühl untersucht. An den von der Anästhesie betroffenen Schleimhäuten des Gesichts und der Mundhöhle war das Studium etwaiger trophischer Störungen von besonderem Interesse. Es trat aber weder an der äusseren Haut, noch an der Schleimhaut der Mundhöhle, noch auch am Auge irgendwelche Ernährungsstörung auf, weder in Form von Geschwürsbildung, noch in Gestalt von Atrophien, Herpesbildung und dergl. In wie geringfügiger Weise ein Ausfall trophischer Function am Auge nach der Operation Platz greift, geht daraus hervor, dass selbst vor dem Eingriff bestandene, entzündliche Affectionen des betreffenden Auges in normaler Weise heilten. Die Dauer der Heilung war indessen bedeutend verlängert. Ferner ergeben die Beobachtungen, dass die Widerstandsfähigkeit des Auges der operirten Seite gegen entzündungserregende Einflüsse vermindert ist, so dass sich immerhin eine geringere Kraft der Gewebe geltend macht. In Bezug auf die Pupillen liess sich kein übereinstimmendes Resultat feststellen und ist der Satz von der individuellen Verschiedenheit des Quintus in seiner Bedeutung als Irisnerv wohl richtig. Die Thränensecretion ist auf der operirten Seite dauernd vermindert und müssen somit die im N. lacrimalis und subcutaneus malae verlaufenden Sensitivfasern zum Theil wenigstens dem Quintus von Haus aus angehören und nicht sämmtlich aus dem Facialis stammen. Auf das Gehörvermögen hatte die Operation so gut wie keinen Einfluss. Aus den Geschmacksprüfungen geht hervor, dass der Trigeminus vom Ursprung an Fasern enthält, welche die Geschmacksempfindung für einzelne Qualitäten, hauptsächlich für süss, sauer, salzig, vermitteln und dass sich dieselben in der Spitze und den vorderen 2/3 des Seitenrandes der Zunge vertheilen. Immerhin scheinen auch hier individuelle Abweichungen vorzuliegen, da nicht stets der gleiche Befund erhoben wurde. Die Speichelsecretion war stets auf beiden Seiten gleich, während die Geruchs wahrnehmung in 4 Fällen auf der operirten Seite herabgesetzt war. Ferner fanden sich auf der operirten Gesichts- und Kopfhälfte subjective Erscheinungen, wie Hitzegefühl, Kribbeln u. s. w. Da bei der Operation die motorische Trigeminuswurzel von der sensiblen nicht getrennt werden konnte, kam es auch zu einer Paralyse der vom 3. Ast versorgten Muskeln (Masseter, Temporalis, beide Pterygoidei, Mylohyoideus und vorderer Bauch des Digastricus). Ausserdem ist in den unteren Fascialisgebieten in Folge der Trigeminusausschaltung das Nasenrümpfen, Aufblähen der Backen, Spitzen der Lippen auf der operirten Seite weniger gut ausführbar. Die Reflexe waren niemals verändert; ein vorübergehendes Aussetzen der Athmung und des Pulses, wie Horsley es einmal beobachtet, trat in keinem Falle auf. E. Asch (Frankfurt a. M.).

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21) Beitrag zur Kenntniss der Geschmacksinnervation und der neuroparalytischen Augenentzündung, von M. Schreier. (Zeitschrift für klin. Medicin. 1895. Bd. XXVIII.)

Fall I. 22jähr. Landwirth, wurde durch einen Schuss in die rechte Schläfengegend verwundet. Pat. war sofort bewusstlos, kam aber bald wieder zu sich und konnte auf dem rechten Auge nicht sehen. Eine Austrittsöffnung des Geschosses war nicht zu finden. Das Bewusstsein war ganz intact, das rechte Auge total erblindet; der rechte Bulbus geschwollen vorgetrieben und gefühllos, die rechte Pupille weit und starr. Kein reflectorischer Lidschlag bei Berührung des afficirten Auges, wohl aber bei Berührung des gesunden. Rechte Stirn und Backe anästhetisch. Die Kugel wurde auch nach Eröffnung der rechten Orbita nicht gefunden. Da die innere Wand der Augenhöhle zertrümmert war, musste angenommen werden, dass die Kugel möglicher Weise in die Schädelhöhle selbst eingetreten wäre. 3 Tage nach der Operation stellten sich meningitische Erscheinungen ein, die wieder zurückgingen. Bei der Entlassung des Kranken war folgender Befund festzustellen: Vollständige Lähmung des rechten N. trigeminus mit Ausnahme seines motorischen Astes, bestehend in Anästhesie für alle Sinnesqualitäten auf der ganzen rechten Gesichtshälfte mit Ausschluss eines kleinen Streifen am rechten Ohre und am Angulus mandibularis. Die Anästhesie erstreckt sich auf die Schleimhaut des rechten Auges, der rechten Seite des Naseninnern und der Mundhöhle. Das Geschmacksvermögen auf den vorderen zwei Dritteln der rechten Seite der Zunge ganz verschwunden. Desgleichen ist der rechte Olfactorius ganz gelähmt. Der Geruchssinn ist rechts vollkommen erloschen. Auf dem rechten Auge besteht absolute Amaurose und Ophthalmia neuroparalytica. Die Cornea ist stark getrübt, die Conjunctiva stark geschwollen und geröthet. Iris an der Cornealnarbe adhårent und an der vorderen Linsenkapsel. Der Sehnerv ist gelb weiss verfärbt. Die Verletzung der Nerven kann durch directe Einwirkung der Kugel oder durch Basisfractur oder endlich durch einen abgesprengten Knochensplitter zu Stande gekommen sein. Jedenfalls muss der N. trigeminus an einer Stelle getroffen sein, wo seine drei Aeste noch zusammenliegen, also in Ganglion oder dicht an der Theilungsstelle in der Schädelhöhle.

Fall II. 38jähr. Maurer war vom 3. Stockwerk abgestürzt. Das Bewusstsein kehrte erst nach 6 Tagen wieder. 4 Monate nach dem Unfalle wurde folgender Befund aufgenommen: Anästhesie der ganzen rechten Gesichtshälfte mit Einschluss der Schleimhaut von Auge, Nase und Mund; Geschmaksempfindung auf der rechten Zungenseite von der Spitze bis zu den Papillae circumvallatae aufgehoben. Die rechte Gesichtsseite, faltenlos und glatt, betheiligt sich nicht bei mimischen Bewegungen. Die Sehkraft auf beiden Augen normal; Thränen des rechten Auges, aber keine entzündlichen Erscheinungen. Pupillen gleich weit, reagiren beiderseits auf Lichteinfall und Accommodation. Gehörvermögen rechts aufgehoben. Geruchsvermögen beiderseits vorhanden. Es besteht demnach eine Lähmung der sensiblen Fasern des rechten N. trigeminus, des Facialis und Acusticus, wahrscheinlich herbeigeführt durch Basisfractur.

Nach den beiden Beobachtungen ergiebt sich, dass die Annahme der meisten Forscher, dass sämmtliche Geschmacksfasern für die vorderen zwei Drittel der Zunge durch den Stamm des Trigeminus, und zwar dessen sensible Partie in's Centralorgan eintreten, richtig ist.

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Das Auftreten der Augenentzündung in dem ersten Falle und das Fehlen derselben im zweiten ist darauf zurückzuführen, dass im ersten Falle das Ganglion Gasseri verletzt und gleichzeitig der Trigeminus durchtrennt worden ist; die Verletzung der Ganglienzellen bedingt die trophische Störung. Im zweiten Falle muss angenommen werden, dass das Ganglion unverletzt geblieben ist und deshalb trophische Störungen fehlen. K. Grube (Neuenahr).

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Psychiatrie.

22) Zur Pathologie der acuten hallucinatorischen Verwirrtheit, von Dr. E. Beyer. (Aus der psychiatrischen Klinik in Strassburg i. E.) (Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. Bd. XXVII. S. 233 ff.)

Nach einer kurzen Darstellung der historischen Entwickelung der acuten hallucinatorischen Verwirrtheit wendet sich Verf. zunächst zu einer Besprechung der einzelnen Symptome dieser Krankheit und stellt die Auffassungen von ihrem Werthe und ihren Ursachen sorgfältig zusammen. Sodann sucht er eine Erklärung für das Zustandekommen der Krankheit durch Schädigung des normalen psychischen Mechanismus zu finden, wobei er sich eines nach psychologischen und anatomischen Erwägungen construirten Schemas bedient. Die Reize, welche die Nervenenden eines Sinnesorgans treffen, gelangen auf den bekannten Wegen zu den Zellen der sensorischen Region in der Hirnrinde, die zu dem betreffenden Sinnesorgan in Beziehung steht. Von hier werden sie durch Verbindungsbahnen zuerst in die Rinde des Stirnhirns und erst dann weiter in die motorische Rindenpartie, Central windungen u. s. w. geführt. Die Station im Stirnhirn ist demnach eine centrale, die nicht unmittelbar von äusseren Reizen beeinflusst wird. Auf Grund der Verschiedenheit der Form und Anordnung der Zellen vermuthet Verf., dass die corticalen Stationen im Gegensatze zu den subcorticalen nicht blos Durchgangsstationen für die Reize, sondern gleichzeitig Depotstationen sind, in denen die ankommenden, bezw. durchpassirenden Reize Erinnerungsbilder zurücklassen. Als solche bezeichnet Verf. die von einem jeden Reize in einer Rindenzelle zurückbleibende „,functionelle Disposition", aus der jene entstehen. In der subcorticalen Station werden die durch äusseren Reiz entstandenen Nervenerregungen zu einer Empfindung zusammengefasst, in der sensorischen corticalen Station verschmelzen mehrere solcher Empfindungen zu einer Vorstellung. Zugleich bleibt hier ein Erinnerungsbild der angekommenen Empfindung zurück.

Hier werden aus den neuen Empfindungen ,,Wahrnehmungsvorstellungen" und aus den associativ erregten Erinnerungsbildern,, Einbildungsvorstellungen". Von diesen beiden wird in der corticalen Station des Stirnhirns ein „Vorstellungserinnerungsbild" deponirt. Ausserdem werden hier durch Zusammensetzung verschiedener Vorstellungen,,Begriffe" gebildet. Aus den Begriffen gehen, je nachden sie mehr oder minder vollständig sind, ,,Willensimpulse" hervor. Diese werden divergirend, nach den motorischen Rindenfeld geführt und hinterlassen dort ein Erinnerungsbild. Zur motorischen corticalen Station gelangen auch durch Nebenleitungen Empfindungen und Vorstellungen, die sich mit den Willensimpulsen verbinden, nur auf diese einwirken. So entstehen Bewegungsvorstellungen, die bei genügender Intensität als Bewegungsimpulse centrifugal weitergehen.

Um psychische Functionen handelt es sich demnach nur in den drei corticalen Stationen; die subcorticalen Stationen haben keine psychische Function. Erstere sind gemeinsam die Träger der psychischen Vorgänge, des Bewusstseins u. s. w.

An der Hand dieses anschaulichen Schemas nimmt Verf. an, dass locale Schädigungen in den einzelnen Stationen das Wesentliche für die Entwickelung von Psychosen sei. Er unterscheidet zwischen Reiz und Art der Störung und hofft, die localen Schädigungen durch ihren directen Einfluss auf den formalen Gang des psychischen Mechanismus erkennen zu können. Von diesen Gesichtspunkten aus betrachtet er einige klinische Hauptsymptome.

Bei der Analyse der acuten hallucinatorischen Verworrenheit sieht er als wesentliche Grundstörung eine formale Störung in der Zusammensetzung der Empfindungen zu Vorstellungen an, also eine Erkrankung der sensorischen Rindenfelder, eine Erschöpfung ihrer Zellen. Die ankommenden Empfindungen werden feblerhaft zusammengesetzt, mit nicht passenden Erinnerungsbildern verbunden; sie geben dem Kranken

keine richtigen Vorstellungen, er ist daher verwirrt, desorientirt und verkennt die Umgebung. In Folge der Intactheit des Stirnhirns passen die hier ankommenden unrichtigen Vorstellungen nicht zu den bisherigen Vorstellungserinnerungsbildern, Alles erscheint dem Kranken fremd und sonderbar, er ist verwundert und wird in seiner Stimmung und in seinem Benehmen durch das Bewusstsein seines Unvermögens, sich zu orientiren, sehr beeinflusst, er wird missgestimmt, ängstlich, unruhig.

Verbindet sich mit der Erschöpfung der Zellen in den sensorischen Rindenfeldern eine erhöhte Reizbarkeit derselben, wie es meist der Fall ist, so wird das Krankheitsbild reichhaltiger. Die fehlerhafte Verknüpfung der Empfindungen unter einander und mit den unrichtig associativ erregten Erinnerungsbildern wird abnorm erleichtert: es treten Illusionen auf. Pathologische Reizung der Zellen endlich ruft Hallucinationen hervor. Diese bewirken eine weitere inhaltliche Verwirrung der Station im Stirnhirn, sie verwirren und verstimmen den Kranken noch mehr und veranlassen ihn zu scheinbar unsinnigen Handlungen und Aeusserungen. Unsinnig sind diese jedoch nicht, sondern es werden eben nur inhaltlich gefälschte Vorstellungen und Sinnestäuschungen im Stirnbirn verarbeitet, und zwar formal ganz richtig. Die dort entstehenden unrichtigen Willensimpulse werden auch in den motorischen Rindenfeldern formal richtig zu Bewegungen umgesetzt, die äusserlich verkehrt erscheinen.

Folgt bei hochgradiger Erschöpfung der Zellen auf die Erhöhung der Reizbarkeit ein Sinken derselben, so tritt eine Art Stupor ein; die äusseren Reize haben keine Wirkung mehr; die Kranken suchen nur die erhaltenen gefälschten Vorstellungen mit Hilfe des alten Vorstellungserinnerungsbildes in Ordnung zu bringen, sie sind mit sich beschäftigt.

Die Erscheinungen der Verworrenheit lassen sich also sämmtlich auf eine Erkrankung der Zellen in den sensorischen Rindenfeldern zurückführen; welcher Art dieselbe ist, ist unbekannt. Die verschiedene Erscheinungs- und Verlaufsweise der einzelnen Fälle ist abhängig nicht nur von der Intensität des Krankheitsprocesses, sondern auch von der Ausbreitung der Krankheit auf die Hirnrinde. Können doch die sensorischen Partien eines oder mehrerer Sinne befallen sein, vermag die Krankheit sich doch auf die benachbarten motorischen oder selbst auf die centralen Stationen im Stirnbirn auszudehnen. Beim Collapsdelirium ist wahrscheinlich die ganze Hirnrinde erkrankt.

So verlockend und einnehmend nun die Darstellung des Verf.'s ist, wollen wir doch nicht vergessen, dass es sich nur um eine Hypothese handelt, allerdings um eine sehr geschickte und geistreiche. Verf. selbst giebt seine Darstellung mit der nöthigen Reserve. Es fehlt aber gerade in der jetzigen Zeit nicht an solchen, deren Speculationsdrang Hypothetisches von Bewiesenem nicht zu trennen vermag. H. Kauffmann (Sonnenstein).

23) Melancholia with special reference to its characteristics in Cumberland and Westmorland, by W. F. Farguharson. (Lancet. 1895. Sept. 21.) Verf. theilt aus der 27 jähr. Statistik des Garlands Asylum mit, dass in 70% aller Fälle von Melancholie Wahnvorstellungen bestanden. Allerdings scheint er auch manche Fälle, welche wir als Paranoia auffassen würden, zugerechnet zu haben. Damit hangt es wohl auch zusammen, dass Hallucinationen des Gehörs sehr häufig sein sollen (,,most common"). Nicht so häufig sind Visionen. Von dem Stupor kennt Verf. nur zwei Varietäten, ,,melancholic stupor" oder „,,Melancholia attonita" und anergic stupor" oder „,Dementia acuta". Ersterer soll durch eine fixirte Wahnvorstellung charakterisirt sein. Letzterer geht oft aus ersterem hervor. Sehr bezeichnend für letzteren ist auch der nach der Genesung festzustellende Erinnerungsdefect.

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