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färbbare Substanz des Nervenzellenleibes als basophil im Sinne EHRLICH's bezeichnet, dann stelle ich weder bescheidene, noch unbescheidene Forderungen an den reactiven Beweis; ich fordere dann klipp und klar den reactiven Beweis, dass die farbbare Substanz der Nervenzellen im Sinne EHRLICH's basophil ist. Diese Basophilie habe ich bestritten und bestreite sie heute noch, denn der reactive Beweis dafür ist bis zur Stunde noch nicht erbracht.

Unverständlich ist mir, wie Benda dazu gekommen ist, anzunehmen, dass ich die Bezeichnung Granula jemals für die Ganglienzellenstructur, bezw. für die färbbaren Structuren des Nervenzellenleibes gebraucht habe. In allen meinen Aufsätzen habe ich unter Granula stets nur färbbare Körner oder körnerartige Gebilde bezeichnet. Speciell bin ich von den „,sehr groben, oft stäbchenförmigen Granula" ausgegangen. Der Satz, den BENDA citirt, ist unrichtig citirt. Wenn ich, wie BENDA sagt, die färbbaren Structuren als Bruchstücke des farbbaren, d. h. des sichtbar geformten Theiles der Nervenzellenkörper definirt hätte, dann wäre dieser Satz nicht, wie BENDA meint, unverständlich, sondern er enthielte einen completen Unsinn. Nicht die färbbaren Structuren, sondern diejenigen Gebilde des Nervenzellenleibes habe ich als Bruchstücke des färbbaren Theiles des Nervenzellenkörpers bezeichnet, die man als sehr grobe oft stäbchenförmige Granula bezeichnet hat. Da der gefärbte Theil der Nervenzellenkörper verschieden geformte Gebilde umfasst, also Fäden, Netzwerke, grosse theils typisch geformte, theils unregelmässig gestaltete Körper und endlich noch Körner und körnerartige Substanzportionen, die man als Granula bezeichnet hat, so sind letztere Theile oder Bruchstücke des färbbaren Theiles des Nervenzellenkörpers, quod erat demonstrandum.

BENDA hat die Frage aufgeworfen, ob die färbbare Substanz der Nervenzellenkörper für die nervöse Function, bezw. für die Nervenzelle specifisch ist. Diese Frage ist zweifellos insofern berechtigt, indem man bei Anwendung der Nervenzellendarstellungsmethode auch in anderen Körperzellen mit Methylenblau gefärbte Substanzen darzustellen vermag. Mit aller Entschiedenheit muss ich gegenüber BENDA betonen, dass niemals das Gesammtstructurbild irgend einer mit Methylenblau oder Thionin gefärbten Körperzelle mit dem Gesammtstructurbilde einer Nervenzelle identisch ist. Trotzdem könnte natürlich die in den Körperzellen blau gefärbten Substanzportionen oder Theile derselben identisch mit den gefärbten Substanzportionen des Nervenzellenleibes sein. Um diese Frage zu entscheiden, bedürfen wir vor Allem des Einblickes in die Qualität der färbbaren Substanzportionen. Hierzu reicht aber kaum die uns heute zur Verfügung stehende Methodik aus. Dass die farbbaren Substanzen des Nervenzellenkörpers für ihn specifische Bildungen sind, ist deshalb wahrscheinlich, weil Störungen der Zellfunctionen durch Unterbrechung ihrer Leitungen sofort mit einer Veränderung der färbbaren Substanzportionen einhergehen. Viel näher liegt noch die Frage, ob die färbbaren Substanzportionen der verschiedenen Nervenzellenarten identisch sind. In dieser Beziehung kann ich mit aller Sicherheit nicht nur aus den Ergebnissen der Tinction mit basischen Anilinfarben, sondern hauptsächlich aus den Resultaten von verschieden vorbehandelten und

verschieden gefärbten Nervenzellen den Schluss ziehen, dass die färbbaren Substanzportionen der verschiedenen Nervenzellen nicht identisch sind.

Obschon ich den färbbaren Substanzportionen des Nervenzellenleibes eine viel grössere Bedeutung beimesse als BENDA, so stimme ich mit ihm doch darin überein, dass der sich nicht färbende Theil mindestens ebenso wichtig ist, vielleicht sogar einen noch wichtigeren Theil im Organismus der Nervenzelle darstellt. Jedenfalls kann der färbbare Theil selbst hochgradige Veränderungen erleiden, ohne dass dabei die Nervenzelle ihre Lebensfähigkeit einbüsst.

Die sich auf den ungefärbten Substanztheil der Nervenzellen beziehenden Erörterungen BENDA's kann man zum grossen Theil unterschreiben. Jeder, der sich eingehend mit den Nervenzellen beschäftigt hat, wird zu ähnlichen Ergebnissen gelangt sein. Allein es fehlte immerhin die Gewissheit, dass der ungefärbte Theil die Nervenfibrillen enthält.

Heute sind wir in der glücklichen Lage, bezüglich dieses Theiles des Nervenzellenkörpers wenigstens bei der Zellart der motorischen Zellen völlige Gewissheit zu haben. BENDA scheint es entgangen zu sein, dass in der letzten Versammlung der südwestdeutschen Neurologen und Psychiater Dr. BECKER für die motorischen Zellen den Beweis erbracht hat, dass die ungefärbte Substanz des Zellleibes und der Fortsätze im Wesentlichen aus wirklichen Nervenfibrillen besteht.

Ich hoffe, dass BECKER bald über die näheren Details, namentlich über die Beziehung der Fibrillen zu den Fortsätzen und zum Zellleib weitere Mittheilungen bringen wird. (Schluss folgt.)

2. Die Lehre von den Neuronen und die Entladungstheorie. (Untersuchungsresultate des Nervensystems nach der Golgi'schen Methode.)

Von Prof. W. v. Bechterew.

(Schluss.)

In Bezug auf die Dendriten wird mit der Voraussetzung, dass sie in beiden Richtungen leiten können, uns sowohl ihre Verkettung mit einander z. B. in der vorderen Rückenmarckscommissur und in der Molecularschicht der Hirnrinde, wie auch die Betheiligung der apolaren Zellen an der Leitung nun vollkommen klar. Im ersteren Falle, d. h. bei der Verkettung der Dendriten mit einander, kommt in Folge der Verbreitung des Nervenstromes von einem Zellkörper auf den andern, und möglicherweise auch in Folge eines Austausches der Ströme zwischen beiden Zellelementen, eine vereinigte Thätigkeit zweier oder einiger, gleichzeitig functionirender Zellen zu Stande. Was die Zellen anbetrifft, denen ein Axencylinder abgeht, so bliebe ihre Thätigkeit überhaupt unverständlich, falls die

1 XX. Wanderversamml. der südwestd. Neurologen und Irrenärzte. Archiv für Psych. XXVII. Heft 3.

Hypothese, nach welcher die Dendriten nur cellulopetal leiten, Geltung behielte, während meine Annahme der Möglichkeit einer Leitung der Dendriten nach beiden Richtungen hin, die Function solcher Zellen leicht erklärlich macht, weil in allen Fällen, wo diese Zellen, wie an der Peripherie, als selbständige Gebilde erscheinen, dieselben als reflectorische Knoten vom einfachsten Typus angesehen werden können; in dem Riechorgan aber und in der Netzhaut können solche Zellen die Rolle der einfachsten Uebermittelungsapparate übernehmen.

Was die Frage nach der Uebermittelung der Erregung von einem Element zum andern anbetrifft, so erfreut sich gegenwärtig die Theorie, nach welcher die Nervenerregungen, dank der Berührung der Endverzweigungen der Cylinderfortsätze der einen Zelle mit dem Körper und den protoplasmatischen Fortsätzen der anderen Zellen, ohne Unterbrechung von einem Element auf das andere übergehen, einer fast allgemeinen Anerkennung. Kurzum, der Verbreitungsprocess der Nervenerregung soll nicht mehr per continuitatem, wie früher angenommen wurde, sondern per contiguitatem vor sich gehen. Im Uebrigen ist aber die Lehre von der Leitung der Nervenerregung im Vergleich zu den früheren Ansichten wesentlich unverändert geblieben. Es unterliegt zwar keinem Zweifel, dass diese Theorie, im Vergleich zu der früheren, ein Nervennetz voraussetzenden Lehre, uns solche Erscheinungen, wie das Gesetz der Verbreitung der Reflexe besser erklärt, da je nach der Menge der sich berührenden Fortsätze auch der Widerstand für die Leitung selbstverständlich sich verändern muss, während bei der früher vorausgesetzten, organischen Verbindung der Fortsätze in der Form eines ununterbrochenen Netzes es fast undenkbar war, den Unterschied des Widerstandes für die Leitung in dieser oder jener Richtung zu erklären, was aber doch zum Verständniss des Gesetzes von der Verbreitung der Reflexe unumgänglich nothwendig ist.

Nichtsdestoweniger ist die in Rede stehende Theorie nicht ohne Mängel. Da sie den Widerstand für die Leitung in ausschliessliche Abhängigkeit von der Entwickelung und Menge der sich berührenden Fortsätze stellt, so kann sie z. B. nicht erklären, warum der Reflex sich an der entsprechenden Seite mit einer grösseren Leichtigkeit als an der entgegengesetzten verbreitet und warum derselbe im entsprechenden Rückenmarksniveau schneller als höher oder unterhalb desselben von sich geht. Ferner haben wir schon erfahren, dass eine thatsächliche Berührung der Endverzweigungen der Cylinderfortsätze von den einen Zellen mit den Körpern und Dendriten anderer Zellen bei Weitem nicht überall stattfindet, weil diese und jene zuweilen wohl in nächster Nachbarschaft nicht aber in directer Berührung sich befinden. Daraus geht doch klar hervor, dass die Contacttheorie nicht bedingungslos verallgemeinert werden darf. Doch können wir andererseits uns den Nervenstrom auch nicht als eine Erregung vorstellen, welche ununterbrochen durch irgend eine, etwas mit seinen einzelnen, in unmittelbarer Berührung mit einander befindlichen Theilen gebildetes Ganze darstellende Leitungsbahn verläuft. Schon der Umstand, dass die Nervenelemente nichts weiteres als ganz für sich dastehende, mit einander weder durch die Zweige der Dendriten noch durch die Seitenzweige und Endverzweigungen der

Cylinderfortsätze in ununterbrochener Verbindung befindliche Organismen bilden, führt nothwendigerweise zur Annahme einer Isolirtheit der Nervenerregungen in den einzelnen, mit einander in Berührung oder in nächster Nachbarschaft befindlichen Nervenelementen oder Neuronen. Haben wir somit eine Anzahl von Nerveneinheiten, welche der Reihe nach angeordnete Glieder einer und derselben Leitungsbahn darstellen, so ist es augenscheinlich undenkbar vorauszusetzen, dass längs dieser Nervenkette ein und derselbe Nervenstrom vom Anfang bis zum Ende verliefe.

Unserer Meinung nach soll der Nervenstrom aus einer Reihe von auf einander folgenden, in den nach einander liegenden Gliedern oder Neuronen der gegebenen Nervenbahn sich entwickelnden Nervenerregungen bestehen. Selbstverständlich befindet sich die in jedem einzelnen Neuron entstehende, obgleich selbständige Erregung dennoch in einer nächsten, causalen Wechselbeziehung mit der Erregung, welche sich im vorhergehenden Neuron entwickelte. Auf eine andere Weise lässt sich die Aufeinanderfolge der Nervenerregungen, welche in der gegebenen Leitungsbahn ablaufen, nicht vorstellen. Zweifellos ist diese Frage mit dem Wesen jenes Processes, welchen wir Nervenerregung nennen, innigst verbunden. Jedoch sehe ich die Nothwendigkeit nicht ein, hier darauf näher einzugehen, welche Ansicht über das Wesen des Nervenstromes bei dem gegenwärtigen Stande der Physiologie mehr Berechtigung hat. Gestützt auf Thatsachen will ich nur darauf hinweisen, dass die Nervenleitung überall von negativer Schwankung des elektrischen Stromes begleitetet ist, somit in der Nervenfaser während der Nervenleitung gleichsam eine Entladung der Energie vor sich geht. Augenscheinlich haben wir uns eine ebensolche Entladung auch in jedem zum Bestande dieser oder jener Leitungsbahn gehörenden Neuron während der Leitung vorzustellen. Folglich ist der Nervenstrom physiologisch als eine moleculäre Veränderung einer Reihe von aufeinanderfolgenden Neuronen zu betrachten, welche von Energieentladungen in jedem derselben begleitet ist. Natürlich entsteht nun die Frage nach den Bedingungen dieser Energieentladungen in den Neuronen, welche dahin beantwortet werden kann, dass überall die Entladungen der Energie zweifellos nur durch den Unterschied in ihrer Spannung bedingt sein können.

Wir müssen also annehmen, dass in dem Moment der Leitung in jedem benachbarten Paar der Neurone ein Unterschied in der Spannung der Energie entsteht, welcher ihre Entladung von einem Element zum andern zur Folge hat. Es ist auch klar, dass diese Entladung zur Entwickelung der Erregung in jedem der folgenden Elemente, Anlass giebt. Folglich ist der Nervenstrom als moleculare Veränderung in den Neuronen, begleitet von auf einander folgenden Energieentladungen in den zum Bestand der Nervenkette gehörigen Neuronen, zu denken, wobei die Nervenerregung in jedem der Neurone augenscheinlich der Energieentladung im vorhergehenden Neuron ihre Entstehung verdankt. Um uns eines bildlichen Vergleiches zu bedienen, können wir somit die ganze Nervenkette mit dem Leitungsprocess der Nervenimpulse als eine Reihe von LEYDEN'schen Flaschen, welche

sich nach einander und eine in die andere entladen, ansehen. Selbstverständlich muss einer solchen Entladung eine Ladung des ersten Elements vorausgehen. In dem Nervengewebe haben wir augenscheinlich die Ursprungsquelle eines jeden Nervenstromes in einer vom Freiwerden der Nervenenergie begleiteten Erregung der Nervencentren oder peripheren percipirenden Nervenapparate zu suchen.

Hieraus resultirt eine Art von Gleichgewichtsstörung in der Energiespannung benachbarter Nervenelemente, was auch die Ursache des Nervenstromes abgiebt. Es ist evident, dass bei solchen Verbreitungsbedingungen des Nervenstromes sogar die Nothwendigkeit einer Berührung des einen Neuron mit den anderen nicht vorliegt. Zur Entladung, d. h. zur Uebertragung der Nervenerregung von einem Neuron auf das andere, genügt schon die nächste Nachbarschaft der Nervenendigungen des einen Neuron mit dem Körper oder den Fortsätzen des andern. Und wirklich entspricht auch die Theorie der Entladungen mehr den anatomischen Facta, als die Contacttheorie, da, wie wir gesehen, thatsächlich nicht überall eine unmittelbare Berührung der Fortsätze zweier verschiedenen, durch Leitungsbedingungen mit einander verbundenen Neurone stattfindet, sondern die Nervenendigungen des einen Neuron zuweilen nur in der nächsten, die Uebertragung der Erregung von einem Neuron auf das andere durch Entladungen vollkommen gestattenden Nachbarschaft des Körpers oder der Fortsätze des anderen sich befinden. Von der grösseren oder geringeren Nähe der Nervenen digungen des einen Neuron zu den Fortsätzen oder dem Körper des anderen hängt augenscheinlich auch der Widerstand bei der Uebertragung der Nervenerregung von einem Neuron auf das andere ab. Ebenso muss der Widerstand für die Leitung von der Zahl der zum Bestand der gegebenen Leitungsbahn gehörigen Nervenglieder abhängen.

Hierdurch ist es nicht schwer, sich das bekannte Gesetz der Reflexe zu erklären. Eine Verbreitung der Erregung von den sensiblen Nerven auf die motorischen Organe derselben Seite erscheint leichter, als die Uebertragung der Erregung auf die motorischen Organe der anderen Seite, weil wir im ersteren Falle einen aus zwei, im letzteren aber einen wenigstens aus drei Neuronen bestehenden Reflexbogen vor uns haben; ebenso erklärt sich auch der grössere Widerstand bei der Verbreitung des Reflexes auf entfernter gelegene Körpertheile, im Vergleich zu den näher gelegenen, durch den Umstand, dass der Reflex im letzteren Falle nicht zwei, sondern meist drei und mehr Neurone zu passiren hat. Somit erscheint die Theorie der Entladungen auch vom physiologischem Standpunkte aus mehr den Thatsachen entsprechend als die Theorie der ununterbrochenen, durch die Berührung der Neurone mit einander bedingten Verbreitung der Nervenerregung.

Es muss schliesslich noch erwähnt werden, dass DUVAL in neuester Zeit den Endverzweigungen der Cylinderfortsätze die Fähigkeit zu amōboiden Bewegungen, das Vermögen sich zu verlängern und zu verkürzen, zuschreibt. Eine ähnliche Hypothese ist auch von RABL RÜCKHARDT schon etwas früher aufgestellt worden, der ebenfalls eine Bewegung der Zellenfortsätze zuliess.

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